27. Juni 2001

Disentis vor Verwaltungsgericht im Clinch mit der HEIFRA

Die Auseinandersetzung zwischen dem Gemeinderat Disentis und der Glaubensgemeinschaft militanter Tiersch�tzer HEIFRA vor dem b�ndnerischen Verwaltungsgericht geht weiter. In der zweiten Runde des Schriftenwechsel hat die HEIFRA, vertreten durch deren Pr�sident Dr Erwin Kessler, folgendes vorgebracht:

27. Juni 2001

An das Verwaltungsgericht
des Kantons Graub�nden
7001 Chur

Verfahren U 01 52
Rekurs gegen Gemeinde Disentis betr Sonntagsruhe

Sehr geehrte Damen und Herren,

innert Frist nehme ich zur Vernehmlassung der Gemeinde wie folgt Stellung:

1. Klagelegitimation

Die Gemeinde bezweifelt, ob die HEIFRA eine zur Klage berechtigte Rechtspers�nlichkeit darstellt.

Die "Glaubensgemeinschaft militanter Tiersch�tzer" wurde am 26. September 1994 gegr�ndet (siehe Gr�ndungsurkunde gem�ss Beilage 1 und Statuten gem�ss Beilage 2) und erhielt sp�ter zu Ehren des Heiligen Franz von Assisi den Zusatz-Kurzname HEIFRA. Anlass f�r diesen organisierten Zusammenschluss religi�ser militanter Tiersch�tzer war der Umstand, dass das damals in Kraft getretene Antirassismus-Gesetz nur Glaubensgemeinschaften und Ethnien vor Diskriminierung sch�tzt, nicht jedoch andere Volksgruppen, wie zum Beispiel eben Tiersch�tzer. So hat zB die aktuelle Rechtsprechung es als rechtm�ssig erkl�rt, dass ein j�discher K�rschner Tiersch�tzer, welche sich gegen das Pelztragen wenden, mit Nazis vergleicht. Umgekehrt wurde ein Tiersch�tzer mit Gef�ngnis bestraft, weil er tierqu�lende Juden mit Nazis verglich. Zum Schutz gegen solche und andere Diskriminierung und zur Wahrnehmung gemeinsamer Interessen wurde die HEIFRA gegr�ndet.

Das Absprechen des Vereinsstatutes w�rde die Vereinsfreiheit in menschenrechtswidriger Weise verletzen. Weiter w�rde es die Religionsfreiheit verletzen, der HEIFRA abzusprechen, eine religi�se Vereinigung zu sein. Dass eine Glaubensgemeinschaft nach aussen hin merkw�rdig erscheinen mag, ist kein hinreichender Grund, den Status einer religi�sen Vereinigung abzusprechen. Sonst m�sste auch verneint werden, dass das Judentum eine Religion ist: Im Hochsommer schwarze H�te zu tragen, M�nnerfrisuren mit Zapfenlocken, das Verst�mmeln von S�uglingen (Abschneiden der Vorhaut) sowie das rituelle Zutodequ�len von h�heren S�ugetieren (Sch�chten) sind extreme Merkw�rdigkeiten, deren Zusammenhang mit Religiosit�t f�r einen objektiven Betrachter nicht erkennbar ist.

Im �brigen verletzt es den Grundsatz von Treu und Glaube, dass die Gemeinde die Klagelegitimation erst vor Rechtsmittelinstanz anzweifelt. F�r den Fall, dass das Verwaltungsgericht die Aktivlegitimation der HEIFRA wider Erwarten verneinen sollte, wird beantragt, die Beschwerde als Einzelpersonbeschwerde des Unterzeichnenden aufzufassen; das Ruhetagsgesetz schr�nkt den Kreis der Klageberechtigten nicht ein.

2. Verletzung religi�ser Gef�hle

Was der Vertreter der Gemeinde einwendet, sind samt und sonders private Vorstellungen, die keine Grundlage im Ruhetagsgesetz haben. Es f�llt auf, dass in der Stellungnahme der Gemeinde kein einziger Hinweis auf einen Gesetzesartikel oder eine sonstige rechtliche Grundlage zu finden ist. Nichts als Behauptungen. Massgeblich ist indessen nicht die private Auffassung des Gemeindevertreters, sondern was im Gesetz steht. Man kann durchaus geteilter Meinung sein, ob der Schutzbereich des Ruhetagsgesetzes zu weit gefasst ist. Das Prinzip der Gewaltenteilung gebietet indessen zwingend, dass sich das Gericht an die Vorgaben des Gesetzgebers h�lt. Im �brigen hatte die Gemeinde Disentis keinerlei Bedenken, eine Tierschutzkundgebung des VgT in einer unbestimmten Umgebung der Kirche gest�tzt auf dieses Ruhetagsgesetz zu verbieten (siehe im Internet unter www.vgt.ch/news/010410.htm), obwohl nicht ersichtlich ist, inwiefern eine ruhige, friedliche Tierschutzkundgebung religi�se Gef�hle verletzen soll. Es ist die vornehme Aufgabe des Verwaltungsgerichtes, einer solchen willk�rlichen Gesetzesauslegung nach politischen statt rechtstaatlichen Kriterien einen Riegel zu schieben.

Der Gemeindevertreter wendet ein, die Schweinehaltung falle "offensichtlich nicht in den Schutzbereich des Ruhetagsgesetzes", ohne diese vom Wortlaut des Gesetzes abweichende Auffassung rechtsgen�gend zu begr�nden. Artikel 4 Ziffer 1 des b�ndnerischen Ruhetagsgesetzes lautet: "An �ffentlichen Ruhetagen sind alle T�tigkeiten untersagt, die geeignet sind, die dem Tag angemessene Ruhe und W�rde oder den Gottesdienst zu st�ren oder die religi�sen Gef�hle anderer zu verletzen".

Das Gesetz schr�nkt die Art und Weise einer Verletzung der religi�sen Gef�hle also nicht ein. Entscheidend ist einzig und allein der Umstand, dass die religi�sen Gef�hle anderer verletzt werden.

Der weitere Einwand des Gemeindevertreters, eine Verletzung der religi�sen Gef�hle und eine St�rung der W�rde des Tages im Sinne des Gesetzes k�nne nur durch unmittelbar wahrnehmbare T�tigkeiten erfolgen, findet im Gesetz ebenfalls keine Grundlage, und es ist auch nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber stillschweigend von einer solchen Einschr�nkung ausgegangen sein soll. Im Gegenteil deutet das Gesetz als Ganzes klar darauf hin, dass der Gesetzgeber die "religi�sen Gef�hle anderer" an Ruhetagen umfassend sch�tzen wollte, unabh�ngig davon, auf wie eine Verletzung verursacht wird.

Es kann nicht im Ernst behauptet werden, die Existenz einer tierqu�lerischen, ausbeuterischen Schweine-Intensivhaltung durch ein Kloster (siehe www.vgt.ch/vn/0201/disentis.htm) k�nne  die religi�sen Gef�hle anderer, deren Glaubens�berzeugung Mitleid gegen�ber Mitgesch�pfen beinhaltet, nicht verletzen. Auch kann nicht im Ernst bestritten werden, dass der tierqu�lerische Umgang mit Gesch�pfen Gottes in einer kl�sterlichen Massenintensivtierhaltung, wo diese gezwungen werden, ihr ganzes Leben im eigenen Kot und auf einer Fl�che von nur 0.6 Quadratmeter pro Tier zu verbringen, die einem Sonntag angemessene W�rde krass verletzt. Ein derart w�rdeloser Umgang mit Tieren ist erst recht blasphemisch und verletzend, wenn er unter der Verantwortung eines Klosters betrieben wird. Der Gemeindevertreter hat sich mit alledem �berhaupt nicht auseinander gesetzt, sondern spielt mit Ablenkungsman�vern. So bringt er geradezu querulatorisch erneut vor, nach der von der HEIFRA vertretenen Auffassung w�rde jede Straftat automatisch auch eine Verletzung des Ruhetagsgesetzes nach sich ziehen. Das ist offensichtlich nicht zutreffend. Falschparkieren an Sonntagen verletzt keine religi�sen Gef�hle, ebensowenig wie zum Beispiel Hausfriedensbruch in einen Schweinestall. Andererseits ist es aber nicht so abwegig, wie der Gemeindevertreter tut, ein Gewaltverbrechen an einem Sonntag im Kanton Graub�nden je nach Umst�nden auch als Verletzung des Ruhetagsgesetzes zu sehen, bloss d�rfte diese �bertretung gegen�ber dem Hauptdelikt meistens bedeutungslos sein.

Obwohl wir schon in der Rekursschrift die Behauptung der Gemeinde, f�r eine tierqu�lerische Schweinehaltung sei allein das Tierschutzgesetz zust�ndig widerlegt haben, h�lt der Gemeindevertreter mangels besserer Argumente hartn�ckig daran fest. Der Gemeindevertreter ist Rechtsanwalt; es sollte ihm deshalb bekannt sein, dass durch eine einzelne Handlung mehrere konkurrierende Tatbest�nde erf�llt werden k�nnen.

Das Ruhetagsgesetz hat den offenkundigen Sinn, an Sonntagen st�rende Handlungen zu verhindern, die nicht schon anderweitig untersagt sind. Es ist deshalb schleierhaft wie der Gemeindevertreter zur Behauptung kommt, eine Tierqu�lerei an Sonntagen falle nicht unter das Ruhetagsgesetz, wenn diese Tierqu�ler nicht schon tierschutzrechtlich verboten sei. Es ist allgemein bekannt, dass die Tierschutzverordnung des Bundesrates mehr die Fleischlobby als die Tiere sch�tzt. Die Tierschutzorganisationen der Schweiz sowie unabh�ngige Fachleute sind sich einig, dass in der Tierschutzverordnung zahlreiche Tierqu�lereien, die nach den Grunds�tzen des Tierschutzgesetzes verboten sein m�ssten, als politisches Zugest�ndnis an die Fleischlobby nicht verboten wurden. Dazu geh�rt auch die auf dem Klosterhof Disentis betrieben Schweine-Intensivmast auf Vollspaltenb�den (siehe dazu im Internet unter www.vgt.ch/vn/0201/disentis2.htm)

�bersehen hat der Gegenanwalt auch, dass es hier - im Gegensatz zum Tierschutzrecht - nur um die kl�sterliche Schweinehaltung an Ruhetagen geht. Die vorliegende Klage beinhaltet ausdr�cklich die Forderung, den in qualvoller Intensivhaltung gehaltenen Klosterschweinen sei an Sonntagen Auslauf zu gew�hren oder es sei ihnen an Sonntagen zumindest Stroh zu geben zum artspezifischen Spielen und Schlafnestbau. Auch damit hat sich die Gemeinde �berhaupt nicht befasst; es geht ihr offensichtlich einzig und allein darum, die Interessen des Klosters zu vertreten, was nach unserer Auffassung eine Amtspflichtverletzung darstellt; Gemeindebeh�rden haben das Gesetz politisch und religi�s neutral zu anzuwenden..

Frei erfunden ist auch die Behauptung, bei der Anwendung des Ruhetagsgesetzes komme es immer darauf an, "wie eine T�tigkeit von einer gr�sseren �ffentlichkeit wahrgenommen wird". Diese Auffassung l�uft darauf hinaus, das Ruhetagsgesetz diene nur dem Schutz von religi�sen Mehrheiten - eine absonderliche Auffassung, die einmal mehr keine Grundlage im Gesetz findet. Dieses muss nach seinem Wortlaut so verstanden werden, dass es auch und ganz besonders dem Schutz religi�ser Minderheiten dient.

Mit freundlichen Gr�ssen
Dr Erwin Kessler, Pr�sident HEIFRA

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