10. April 2001

Kloster Disentis: kommt es am Ostersonntag zu einem Polizeieinsatz gegen den VgT?

Nachtrag: Der Betrieb wurde inzwischen saniert. Das hier Gezeigte hat nur noch historische Bedeutung. Siehe www.vgt.ch/vn/0302/disentis.htm

Der VgT plant am Ostersonntag ab 10 Uhr eine Kundgebung gegen die tierverachtenden Zust�nde auf dem Klosterhof Disentis (nur bei sch�nem Wetter; Durchf�hrungsentscheid am Ostersamstag 12 Uhr auf www.VgT.ch). Der Gemeindepr�sident von Disentis bef�rchtet, die geplante friedliche Tierschutz-Kundgebung des VgT k�nnte die Sonntagsruhe, die W�rde des Tages und die religi�sen Gef�hle der Kirchg�nger st�ren.

Auch w�hrend den Osterfeierlichkeit wird es im Schweinestall des Klosterhofes so himmeltraurig aussehen wie immer, tagein tagaus (Bilder). Die Opfer der kl�sterlichen Tierausbeutung merken nichts von Ostern. Die geplante Kundgebung zugunsten dieser wehrlosen Opfer eines verantwortungslosen Klosters w�re an keinem anderen Tag passender als an Ostern. Wer sich f�r Notleidende einsetzt, st�rt nicht "die dem Tag angemessene Ruhe und W�rde oder den Gottesdienst oder die religi�sen Gef�hle". Im Gegenteil: das ist gelebte Religion!

Der Gemeindepr�sident droht, er werde keine Kundgebung in der "Umgebung" des Klosterkirche dulden. Wie weit reicht diese "Umgebung"? Der Gemeindepr�sident glaubt offenbar, damit ein Patentrezept f�r willk�rliche Schikanen gegen den VgT gefunden zu haben. Aber der VgT ist nicht einfach irgend ein Tierschutzverein, der sich so leicht einsch�chtern l�sst und �ngstlich die wehrlosen Opfer des Klosters im Stich l�sst!

Im folgenden wird die inzwischen abgeschlossene Korrespondenz zwischen dem Pr�sident des VgT und dem Gemeindepr�sident von Disentis wiedergegeben. Daraus geht hervor, wie der Gemeindepr�sident versucht hat, auf die geplante Kundgebung Einfluss zu nehmen. Zuerst hat er unwahr behauptet, Kundgebungen in Disentis seien bewilligungspflichtig. Nachdem dies vom VgT widerlegt wurde, zog er das Sonntagsruhegesetz hervor, das jedoch Kundgebungen weder verbietet noch diese (an Sonntagen) bewilligungspflichtig erkl�rt. Nachdem VgT-Pr�sident Erwin Kessler einer rechtswidrigen Vorladung nach Disentis keine Folge geleistet hat und der Gemeindpr�sident keine neuen Ideen mehr hatte, wie er die Kundgebung unter dem Vorwand amtlicher Pflichtaus�bung behindern k�nnte, entlarvte er seine Absichten selbst mit der l�cherlichen Feststellung, die Tierhaltung auf dem Klosterhof sei einzig und allein Sache des P�chters. Damit hat sich der Gemeindepr�sident in einer Art und Weise in die Auseinandersetzung zwischen dem VgT und dem Kloster eingemischt, die erstens mit seiner Amtspflicht nicht das Geringste zu tun hat und zweitens seine pers�nliche tierverachtende, klosterfreundliche Einstellung offenbarte, die darauf hinausl�uft: Tiere sind Sachen, der P�chter kann damit machen was er will, und das Kloster ist ein Profitbetrieb ohne ethische Verantwortung, nicht einmal im Bereich seiner Liegenschaften, wo es unmittelbar Einfluss nehmen k�nnte.

30. M�rz, Gemeindepr�sident Disentis an VgT:
Sehr geehrter Herr Kessler,
Ich beziehe mich auf Ihre Anfrage betreffend einer Bewilligungspflicht f�r Kundgebungen. Aufgrund der Bestimmungen �ber den gesteigerten Gemeingebrauch sind �ffentliche Kundgebungen bewilligungspflichtig. Bevor wir zu Ihrer Anfrage definitiv Stellung nehmen k�nnen, ersuchen wir Sie uns, folgende Fragen zu beantworten:
1. Wieviele Personen erwarten Sie zu dieser Demonstration?
2. K�nnen Sie beurteilen, wie die Demonstranten nach Disentis reisen? Per Auto oder per Bahn?
3. Sind irgendwelche besonderen Aktionen geplant. Ich bitte Sie, mir diese Fragen zu beantworten. Sofern Sie mich mit weiteren Informationenversehen k�nnen, w�re ich Ihnen sehr dankbar.
Mit freundlichen Gr�ssen.
Aldo Tuor, Gemeindepr�sident Disentis/Must�r

30. M�rz, VgT an Gemeindepr�sident Disentis:
Sehr geehrter Herr Tuor,
Sie haben meine Anfrage leider nur halb beantwortet. Es gen�gt nicht, eine Vorschrift nur zu behaupten. Ich habe Sie gebeten, mir anzugeben, in welchem Erlass die Bewilligungspflicht zu finden ist.
Mit freundlichen Gr�ssen
Erwin Kessler

2. April:
Sehr geehrter Herr Kessler,
Betreffend der Bewilligungspflicht beziehe ich mich auf Art. 4 der Bundesverfassung. Im weiteren auf das kantonale Gesetz �ber die �ffentlichen Ruhetage BR 520.100 sowie auf das Gemeindegesetz, in welchem die �ffentlichen Ruhetage geregelt sind.
Mit freundlichen Gr�ssen.
Aldo Tuor

2. April:
Sehr geehrter Herr Tuor,
der von Ihnen als gesetzliche Grundlage f�r eine Bewilligungspflicht von Kundgebungen
angef�hrte Artikel 4 der Bundesverfassung lautet:
"Die Landessprachen sind Deutsch, Franz�sisch, Italienisch und R�toromanisch." Ich anerkenne dies nich als ausreichende gesetzliche Grundlage f�r eine Bewilligungspflicht.
Auch im kantonalen Ruhetagsgesetz kann ich keine Bewilligungspflicht finden.
Die Bestimmungen �ber �ffentliche Ruhetage im Gemeindegesetz sind mir nicht bekannt; ich ersuche Sie, mir diese bekannt zu geben. Im �brigen habe ich den starken Eindruck, dass es Ihnen darum geht, eine Kundgebung gegen Ihr Kloster - koste es was es wolle - zu verhindern. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die Demonstrationsfreiheit ein in der Europ�ischen Menschenrechtskonvention verankertes Grundrecht ist, das allenfalls entgegenstehendem nationalem Recht vorgeht.
Mit freundlichen Gr�ssen
Erwin Kessler

3. April:
Sehr geehrter Herr Kessler
Ich bedauere, aus Versehen einen falschen Artikel der BV zitiert zu haben. Massgebend sind die Artikel 22 in Verbindung mit Art. 36 der BV.  In Art. 4 des kantonalen Gesetzes �ber die �ffentlichen Ruhetage steht u.a. folgendes:
Art. 2, Ziff. 2: Als hohe Feiertage gelten ....Ostersonntag ....
Art. 4, Ziff. 1: An �ffentlichen Ruhetagen sind alle T�tigkeiten untersagt, die geeignet sind, die dem Tag angemessene Ruhe und W�rde oder den Gottesdienst zu st�ren oder die religi�sen Gef�hle anderer zu verletzen, insbesondere:
a) l�rmende oder mit anderen st�renden Immissionen verbundene Veranstaltungen, Arbeiten und Verrichtungen, namentlich in der N�he der Kirchen w�hrend der Gottesdienste:
Art. 5: An hohen Feiertagen sind �berdies untersagt:
a) Veranstaltungen des Unterhaltungsgewerbes;
b) Theatervorstellungen;
c) �ffentliche Tanzveranstaltungen;
d) Schiess�bungen;
e) Sportveranstaltungen.
Art. 8, Ziff. 1 Der Vollzug dieses Gesetzes obliegt den Gemeinden.
Art. 8, Ziff. 2 Die Gemeinden k�nnen weitere einschr�nkende Vorschriften �ber T�tigkeiten und Veranstaltungen, welche die Ruhe an den �ffentlichen Ruhetagen auf ihrem Gebiet zu st�ren drohen, erlassen.
Die Gemeinde selbst hat ein Ruhetagsgesetz erlassen, in welchem die obenerw�hnten Bestimmungen ebenfalls enthalten sind. Da es aber auf dem E-Mail weg nicht m�glich sein wird, eine f�r beide Teile entsprechende L�sung zu finden, stelle ich Ihnen zwei Termine f�r ein Gespr�ch zur Verf�gung und zwar: Donnerstag, den 5. April 2001 um 14.00 Uhr im Gemeindehaus in Disentis oder Freitag, den 6. April 2001 ebenfalls um 14.00 Uhr im Gemeindehaus in Disentis. Anl�sslich dieser Zusammenkunft werden die Rahmenbedingungen f�r eine Demonstration in Disentis vereinbart. Ich bitte Sie um Mitteilung, welchen dieser beiden Termine Sie wahrnehmen m�chten.
In Erwartung Ihrer Antwort.
Mit freundlichen Gr�ssen
Aldo Tuor, Gemeindepr�sident

4. April:
Sehr geehrter Herr Tuor,
das Sonntagsruhegesetz ist mir bekannt. Wir werden den Gottesdienst nicht st�ren, sondern lediglich dagegen protestieren, dass die dem Tag angemessene Ruhe und W�rde und unsere religi�sen Gef�hle durch die Existenz eines dem Kloster geh�renden Tier-KZs gest�rt werden.
Warum laden Sie nicht die Klosterverantwortlichen zu einer Zusammenkunft ein, um die Rahmenbedingungen festzulegen f�r eine humane Haltung der Schweine auf dem Klosterhof, damit nicht jeden Sonntag die W�rde des Tages und die religi�sen Gef�hle aller echt religi�sen Menschen gest�rt werden?
Mit freundlichen Gr�ssen
Erwin Kessler

4. April:
Sehr geehrter Herr Kessler
Ihrer Nachricht muss ich entnehmen, dass Sie das Gespr�ch mit uns nicht suchen. Sollte dieser Eindruck falsch sein, bitte ich Sie, mir den einen oder anderen von mir vorgeschlagenen Termin zu best�tigen. Unser Angebot gilt nach wie vor.
Bezugnehmend auf die Besitzverh�ltnisse der Klosterstallung sei festgehalten, dass das Kloster den Betrieb nicht selbst bewirtschaftet sondern einem P�chter zur Bewirtschaftung �bergeben hat. Die Verantwortung f�r die Tierhaltung liegt demzufolge beim P�chter und nicht beim Kloster. In der Annahme, dass Sie ihre Manifestation nicht nur auf Gemeindstrassen durchf�hren m�chten, verweise ich auf Art. 64, Abs. 1
des kantonalen Strassengesetzes, welcher lautet: "Jede �ber den Gemeingebrauch hinausgehende Ben�tzung einer �ffentlichen Strasse bedarf einer Bewilligung und ist in der Regel nur gegen Entsch�digung zul�ssig. Ich bitte Sie deshalb, eine Bewilligung bei den zust�ndigen kantonalen Instanzen einzuholen.
Mit freundlichen Gr�ssen
Aldo Tuor, Gemeindepr�sident

4. April:
Sehr geehrter Herr Tuor,
vom Kanton habe ich schriftlich die Auskunft erhalten, dass es f�r eine Kundgebung in Disentis keiner kantonalen Bewilligung bedarf.
Das war nun offenbar der letzte Ihrer krampfhaften Versuche, das Kloster mit Amtsgewalt vor unserer Kundgebung zu sch�tzen. Dass Sie sich zum Schluss noch ganz offen zu Gunsten des Klosters in diese tiersch�tzerische Auseinandersetzung einmischen, best�tigt das, was ich von Anfang an vermutet habe: dass es Ihnen nicht wirklich um einen "gesteigerten Gemeingebrauch" Ihrer Strassen und auch nicht um die "Sonntagsruhe" geht - die mit einem Tier-KZ im Dorf sowieso nicht gewahrt ist! Obwohl es Sie eigentlich gar nichts angeht, kurz soviel: Als Eigent�merin dieses Schweine-KZ h�tte es das Kloster in der Hand, f�r eine artgerechte Tierhaltung zu sorgen. Platz genug, um den Schweinen einen Auslauf ins Freie zu gew�hren, ist vorhanden. Mit Ihrer billigen Ausrede, das sei allein Sache des P�chters, haben Sie Ihre wahre Einstellung und Absicht entlarvt.
Wie Sie inzwischen wohl gemerkt haben, bin ich nicht anf�llig f�r Einsch�chterungsversuche, auch nicht f�r freundlich getarnte. Mit Ihrer Einstellung, es sei allein Sache des P�chters, wie er in Stallungen des Klosters mit empfindsamen Gesch�pfen Gottes umgehe, haben Sie ein derart niedriges geistiges Niveau an den Tag gelegt, dass ich - das haben Sie richtig bemerkt - das Gespr�ch mit Ihnen nicht suche, sondern im Gegenteil k�nftig verweigern werde.
Zum letzten mal mit freundlichen Gr�ssen, wie man so zu sagen pflegt...
Erwin Kessler

Anmerkung:
Die Beh�rden des Kantons Graub�nden haben �bung im Verhindern von Kundgebungen nach dem Grundsatz, Macht geht vor Recht. Siehe Davos. Wie es scheint hat nicht nur eine skrupellos ausbeuterische Weltwirtschaft, sondern auch ein skrupellos ausbeuterisches Kloster absoluten Vorrang vor ethisch begr�ndeter Kritik.  
Doch wir betrachten die Ausn�tzung von Gesetzesl�cken und Vollzugsm�ngeln zur Ausbeutung empfindsamer Lebewesen als eines Klosters unw�rdig. Diese Scheinheiligkeit gilt es ins �ffentliche Bewusstsein zu bringen, wohl die einzige M�glichkeit, dass die Verantwortlichen in Disentis nicht nur immer beten, sondern auch einmal dar�ber nachdenken, was sie eigentlich tun und wie weit sie sich von Christus entfernt haben. Die Kundgebung an Ostern wird darum nicht die letzte sein.


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