31. August 2004

Zweiter Schächt-Prozess gegen VgT-Präsident Dr Erwin Kessler:
Bericht über die Verhandlung vor dem Zürcher Obergericht vom 31. August 2004

Hintergrund: Der Zweite Schächtprozess gegen Erwin Kessler.

In einem die Verteidigungsrechte gemäss Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention spottenden Willkürverfahren hat das Bezirksgericht Bülach Erwin Kessler zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt. Am 31. August 2004 fand vor dem Obergericht die Berufungsverhandlung statt. Die beiden Verteidiger beantragten Freispruch, eventuell Rückweisung an das Bezirksgericht Bülach.

Zusammenfassung des Plädoyers der amtlichen Verteidigerin lic iur Eva Nill:

Die Rassismus-Strafnorm (Art 261bis StGB) ist so unbestimmt und die Strafbarkeit von Äusserungen derart unovhersehbar, dass diese Strafnorm das Bestimmtheitsgebot gemäss Arikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt wird. Eine Verurteilung aufgrund eines nicht als strafbar voraussehbaren Verhaltens ist unzulässig und menschenrechtswidrig.

Aus der Anklageschrift kann die Verteidigung nicht entnehmen, warum und weshalb die einzelnen Äusserungen zum Schächten, dh zu einer bestimmten Art der Fleischgewinnung, tatbestandsmässig sein soll. Die Anklageschrift genügt den Anfoderungen der Strafprozessordnung und der EMRK nicht. Der Angeklagte konnte deshalb schon vor Vorinstanz nicht wirksam im Sinne der EMRK verteidigt werden. Die Verteidigung hat deshalb schon vor Vorinstanz beantragt, die Anklage sei an die Bezirksanwaltschaft zurückzuweisen. Das Verfahren ist im vornherein menschenrechtswidrig.

Eine Verteidigung bezüglich der Anklage bezüglich Rassismus ist auch nicht möglich, weil die Verteidiger selber mit einem Strafverfahren wegen Rassismus rechnen müssten. Die Verteidiger haben das schon vor Vorinstanz vorausgesehen. Inzwischen ist diese Befürchtung durch einen neuen Bundesgerichtsentscheid (6S.318/2004) klar bestätigt worden. In diesem Entscheid hat das Bundesgericht das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit im Sinne der Rassimus-Strafnorm ausgeweitet: "Es gelten künftig ungeachtet der Zahl der Adressaten alle Äusserungen und Verhaltensweisen als öffentlich, die nicht im privaten Rahmen erfolgen. Als privat sind Äusserungen anzusehen, die im Familien- und Freundeskreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld erfolgen."  Äusserungen der Verteidiger an einer Gerichtsverhandlung gelten demnach als öffentlich.

Einem Strafverteidiger müsste es erlaubt sein, die Vorhalte in den Anklagen und vorinstanzlichen Urteilsbegrünhdung sehr kritisch zu beleuchten, einzelne Vorhalte oder Urteilsbegründungen  zu bestreiten, zu negieren, in einem anderen Licht erscheinen zu lassen oder gar zu rechtfertigen. Um den Angeklagten gegen den Vorwurf der Rassendiskriminierung im Sinne der EMRK wirksam zu verteidigen, müsste die Verteidgung zwingend Argumente  und Betrachtungsweisen vorbringen, die als rassistisch verstanden werden können. Indessen kann auch von einem amtlichen Verteidiger nicht verlangt werden, dass er sich in Kenntnis des erwähnten Bundesgerichtsentscheides vorsätzlich strafbar macht.

Die konkrete Gefahr, sich als Verteidiger bezüglich Rassismus selber strafbar zu machen, ist schon länger bekannt. Bereits im Verfahren vor Bezirksgericht Baden im Verfahren gegen den Revisionisten Jürgen Graf im Jahr 1998 drohte der Staatsanwalt einem Chemiker, der als Zeuge aussagte, mit einem Strafverfahren, falls er noch weitere Aussagen mache. Die amtlichen Verteidiger erklärten in jenem Verfahren ebenfalls, den Angeklagten wegen dieser Gefahr, sich selber strafbar zu machen, nicht wirksam verteidigen zu können.

Bezüglich dem Vorhalt, der Angeklagte habe mit der Veröffentlichung des Gerichtsprotokolls der öffentlichen Gerichtsverhandlung gegen Jürgen Graf selber die Rassismus-Strafnorm verletzt, wies die Verteidigerin auf Artikel 27 Absatz 4 des Strafgesetzbuches hin, wonach die wahrheitsgemässe Berichterstattung über eine öffentliche Gerichtsverhandlung ausdrücklich straffrei ist. Die Verteidigerin reichte hierzu ein Gutachten des bekannten Freiburger Strafrechtsprofessors und Medienrechts-Spezialisten Dr Franz Riklin ein, welches die Haltlosigkeit der Anklage im vorliegenden Fall mit ausführlicher Begründung bestätigt. Riklin kritisiert das erstinstanzliche Urteil wie auch die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft als unhaltbar. Das Gutachten im Wortlaut.

Die Verteidigerin wies auf die laufenden politischen Bestrebungen hin, die Rassismus-Strafnorm als Fehlkonstruktion ersatzlos zu streichen (Weltwoche vom 26.8.04, NZZ am Sonntag vom 22.8.04).

Hat sich in einem Rechtsstaat ein rechtliches Gefüge eingestellt, in dem die strafbare Tathandlung mangels Bestimmtheit des Straftatbestandes unklar ist, in der Anklageschrift nicht begründet wurdeund sich die Verteidiger mit einer menschenrechtskonformen wirksamen Verteidigung selber strafbar machen würden, darf kein Rechtsunterworfener Opfer dieser Konstellation, auf die er als Individuum keinen Einflauss hat, werden. Aus diesem Dilemma heraus gibt es nur einen einzigen rechtsstaatlichen Weg: der Freispruch. Jeder andere Ausgang des Verfahrens entspricht nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen und den EMRK-Garantien eines fairen Verfahrens.

Schliesslich beantragte die Verteidigerin noch, es sei - unabhängig vom Ausgang des Verfahrens festzustellen, dass der Angeklagte zu Beginn des Verfahrens durch die Thurgauer Staatsanwaltschaft in einem BLICK-Interview massiv vorverurteilt worden ist (Verletzung von Artikel 6 Ziffer 2 EMRK, wonach jeder Angeklagte bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig zu gelten hat).

Das vollständige  Plädoyer.

Zusammenfassung des Plädoyers des zweiten Verteidigers, Rechtsanwalt Dr Capt:

Wegen gravierenden Mängel des erstinstanzlichen Vefahrens, insbesondere der fehlenden materiellen Verteidigung, muss das vorinstanzliche Verfahren zwingend wiederholt oder der Angeklagte freigesprochen werden. Die Verteidigung hat deshalb schon im Mai ein Rückweisungsgesuch gestellt, über welches das Obergericht immer noch nicht entschieden hat.

Auch Dr Capt weist - wie schon die amtliche Verteidigerin - darauf hin, dass der neue Bundesgerichtsentscheid (6S.318/2004) eine materielle Verteidigung und damit ein menschenrechtskonformes Verfahren definitiv verunmöglicht.

Zur Berichterstattung im Fall Graf: Aufgrund der Veröffentlichung einer Berichterstattung über die Gerichtsverhandlung gegen Jürgen Graf ist Erwin Kessler völlig unerwartet wegen Rassismus angeklagt worden, weil er als verantwortlicher Redaktor durch die Veröffentlichung des Gerichtsprotokolls die darin aufgeführten revisionistischen Äusserungen Grafs weiterverbreitet und einer über die an der Verhandlung anwesenden Zuhörer hinausgehenden Öffentlichkeit bekannt gemacht habe. Zu dieser von Prof Riklin als haltlos beurteilen Anklage verlas der Verteidiger die folgende persönliche Erkärung zur Unberechenbarkeit der Rassismus-Strafnorm:

"Mit relativ knapper Mehrheit hat die Schweizer Bevölkerung vor mehreren Jahren den sog. Rassismusartikel (Art. 261bis StGB) ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Auch ich habe damals für diesen Artikel gestimmt. Die politische Situation damals war diejenige, dass Israel bzw. dessen jüdische Bevölkerung stark unter Druck war und hier ein jeder glaubte, das Land sei in seiner Existenz gefährdet. Dem Stimmbürger wurde weisgemacht, dass dieser Artikel zurückhaltend ausgelegt würde, insbesondere, weil er einen Eingriff in eines der wichtigsten Güter eines Rechtsstaates, der verfassungsmässig garantierten Meinungsäusserungsfreiheit, darstellt.

Vor ca. 400 Jahren behauptete ein aufsässiger Bürger namens Galileo Galilei, die Erde habe die Form einer Kugel, währenddem die Obrigkeit davon ausging, dass die Erde die Form eines Tellers habe. Da Galileo Galilei diese Meinung in der Öffentlichkeit kundtat, musste er seiner Theorie abschwören, ansonsten er als Ketzer mit dem Tode bestraft worden wäre.

Vor wenigen Jahrzehnten zeigten wir alle mit dem Finger auf die damalige Sowjetunion, wo Menschen bestraft wurden, weil sie eine andere Meinung als das Regime kundtaten. Mit geschwellter Brust wiesen wir auf unsere Meinungsäusserungsfreiheit hin und erklärten, dass in einem Rechtsstaat ein jeder seine persönliche Meinung kundtun dürfe und sei sie noch so abwegig.

Mit der Einführung des Rassismusartikels haben wir eIne Kehrtwende vollzogen, welche eines Rechtsstaates unwürdig ist. In einem Rechtsstaat soll ein jeder seine Meinung frei äussern können, er soll behaupten können, die Erde sei teller- oder von mir aus trichterförmig. Es ist die gesellschaftliche Achtung oder Verachtung, welche sich jemand zuzieht, der abwegige Behauptungen aufstellt, wobei sich viele einige abwegige Behauptungen später auch als richtig erwiesen haben (z.B. GaIileo Galilei).

Der Rassismusartikel ist eines funktionierenden Rechtsstaates unwürdig. Ich bin sicher, heute würde eine Abstimmung über die Aufnahme eines solchen Artikels ins Gesetz anders ausfallen; insbesondere, da sich auch die politische Situation geändert hat. Festzuhalten ist, dass der Rassismusartikel - und wie er durch das Bundesgericht gehandhabt wird - alles andere bewirkt hat, als er hätte bewirken sollen. Anstatt den Artikel - wie in den Abstimmungsunterlagen propagiert - zurückhaltend anzuwenden, wendet das Bundesgericht diesen Artikel nun je länger je extensiver an, wie uns der Bundesgerichtsentscheid vom 27. Mai 2004 (Skinhead-Veranstaltung in einer Waldhütte) treffend zeigt.

Damit untergräbt das Bundesgericht nicht nur unseren hochzuhaltenden Rechtsstaat, sondern hintergeht die Stimmbürger, welche nicht für eine solche Ausdehnung der Bestimmung abgestimmt haben, und leistet dem ganzen Thema schliesslich einen schlechten Dienst, indem eine Polarisierung stattgefunden hat, welche wohl von niemandem gewünscht wurde. So hat doch der Antisemitismus in der Schweiz in den letzten Jahren merklich zugenommen. Es stellt sich effektiv die Frage, ob der Rassismusartikel und dessen extensive Auslegung nicht mitverantwortlich für diese Entwicklung sind. Es ist an der Zeit, endlich umzudenken und politische Ziele mit politischen Mitteln und nicht mit einer unwürdigen weitgehenden Beschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit des Bürgers zu erzielen.

Falls diese unselige Entwicklung weg vom Rechtsstaat weiterhin stattfinden sollte, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis eine Volksinitiative zur Aufhebung dieser Bestimmung lanciert wird. Die damit verbundenen Diskussionen würden eine weitere Polarisierung schaffen. Bei der Abstimmung hätte eine solche Initiative zum heutigen Zeitpunkt eine grösste Chance, angenommen zu werden.

Wenn Sie also nicht Hand zu einem weiteren Abbau der Meinungsäusserungsfreiheit und damit des Rechtsstaates in Richtung der Verhältnisse, wie sie in der alten Sowjetunion herrschten, unterstützten wollen, ist der Rassismusartikel nicht extensiv auszulegen, sondern in dessen ursprünglichen Sinn als exotischer Ausnahmeartikel zum verfassungsmässigen Recht der Meinungsäusserungsfreiheit anzuwenden.

Der Angeklagte ist ein engagierter Tierschützer. Dabei hegt er gegen keine Religion oder Religionsgruppe irgendwelche Diskriminierungsgedanken. In seiner Tätigkeit ist der Angeklagte der Agrar-Lobby ein Dorn im Auge. Der Rassismusartikel ist nun genau dasjenige Instrument, welches dazu missbraucht werden kann, den Angeklagten mundtot zu machen. Er wendet sich dagegen, dass unser seit über 10 Jahren bestehende fortschrittliche Tierschutzgesetz im Vollzug durch die Agrar-Lobby derart verwässert wird, dass es in weiten Bereichen praktisch toter Buchstabe bleibt. Und dies hat nichts mit Judenhass oder dergleichen zu tun. Wenn aber irgendwelche Religionsgruppen unter dem Deckmantel der Religion Tiere zu Tode quälen, dann kämpft der Angeklagte mit Recht gegen diese Praxis. Ein Rechtsstaat sollte solchen Personen dankbar sein und sie nicht mit unredlichen Mitteln verfolgen, wie dies mit dem Angeklagten systematisch gemacht wird.

Es ist bedauerlich, dass das Bundesgericht immer noch im vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Wirtschaftsmacht USA (bekannterweise Schutzmacht des Staates Israel) alles unternimmt, um sich gefällig zu erweisen und dabei nicht davor zurückschreckt, die verfassungsmässige Meinungsäusserungsfreiheit der Bevölkerung gegen deren Willen weitgehend einzuschränken.

Der Rassismusartikel stellt eine Ausnahme zum Grundsatz der garantierten Meinungsäusserungsfreiheit dar. Wenn wir diesen Artikel nun schon einmal haben, ist er als Einschränkung eines verfassungsmassig garantierten Rechts restriktiv und nicht extensiv auszulegen."

Das vollständige Plädoyer.

Charakteristisch für die Willkür dieses politischen Verfahrens gegen Erwin Kesslers ist, dass sich Prof Riklin veranlasst sah, bezüglich der Einschränkungen der Meinungsäusserungs- und Medienfreiheit der journalistischen Arbeit von Erwin Kessler dem Gericht das verfassungsmässige Gleichheitsgebot in Erinnerung zu rufen (Gutachten Seite 11): "Sie müssen grundsätzlich für alle Konstellationen nach den gleichen Kriterien erfolgen, unabhängig vom involvierten Gedankenäusserungsdelikt und unabhängig davon, wer der betreffende Journalist ist und welche politische Sympathien ihm eigen sind."

Da Erwin Kessler sonst nichts vorgeworfen werden kann, wird seit Jahren der Antirassismus-Gummiartikel missbraucht, um ihn mit Gerichtsverfahren und Gefängnis zu terrorisieren. Beim politischen Missbrauch dieses Strafartikels kommt es nicht darauf an, WAS jemand sagt, sondern WER etwas sagt, das dem Regime und seinen (jüdischen) Hintermännern nicht passt.

Das Gericht hat die Verhandlung ohne Urteil unterbrochen und wird schriftlich informieren, wie es weiter geht.


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