VN95-4

Der Bundesrat missachtet den Volkswillen:

Nichtvollzug des Tierschutzgesetzes

von Erwin Kessler

 

Zusammenfassung:
Mit einem "fortschrittlichen" Tierschutzgesetz wird die Oeffentlichkeit beruhigt, mit einem raffinierten Nicht-Vollzug wird gleichzeitig dafür gesorgt, dass es keine Auswirkungen auf die bestehende Praxis hat. Dem verantwortungs- und gesundheitsbewussten Bürger bleibt deshalb nur der Fleischboykott durch eine fleischlose oder fleischarme Ernährung übrig, was auch die Gesundheit günstig beeinflusst.

 

Vor über 20 Jahren, am 2. Dezember 1973, hat das Schweizervolk mit 84% Ja-Stimmen dem Tierschutz-Verfassungsartikel zugestimmt, und vor 15 Jahren, am 3. Dezember 1978, wurde das Tierschutzgesetz mit 81% Ja-Stimmen angenommen. Zum Referendum gegen dieses Gesetz und zu einem geringeren Ja-Stimmen-Anteil kam es, weil die Forderung der Tierschutzorganisationen nach einem Verbandsbeschwerderecht darin nicht berücksichtigt war.

Das fehlende Verbandsbeschwerderecht hat sich katastrophal ausgewirkt: das Tierschutzgesetz ist weitgehend toter Buchstabe geblieben. Der Bundesrat und die vom Agro-Filz durchsetzten kantonalen Landwirtschafts- und Veterinärämter machen beim Vollzug dieses Gesetzes das, was die Agrolobby will, nämlich praktisch gar nichts. Ausser dem im Gesetz konkret enthaltenen Verbot der Käfighaltung von Legehennen hat das Tierschutzgesetz den Tieren nicht viel gebracht.

Artikel 2 des Tierschutzgesetzes lautet:

Tiere sind so zu behandeln, dass ihren Bedürfnissen in bestmöglicher Weise Rechnung getragen wird.
Wer mit Tieren umgeht, hat, soweit es der Verwendungszweck zulässt, für deren Wohlbefinden zu sorgen.
Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen oder es in Angst versetzen.

Das klingt gut, aber - wie die Erfahrung beweist - ohne an der tierquälerischen Praxis etwas zu ändern. Ein Gummiparagraf zur Beruhigung der Öffentlichkeit.

Für die landwirtschaftlichen Nutztiere gibt es heute praxiserprobte Haltungssysteme, die sowohl tiergerecht als auch wirtschaftlich sind, wie neutrale wissenschaftliche Untersuchungen belegen. Tierquälerische Intensivhaltungsformen müssten längst verboten sein, doch der Bundesrat setzt sich über das Tierschutzgesetz hinweg und erlaubt in seiner Tierschutzverordnung praktisch alle tierquälerischen Intensivhaltungssysteme.

Eine solche Missachtung des Volkswillens und des Tierschutzgesetzes können sich unsere Bundesräte ungestraft erlauben, weil sie gegen Strafverfolgung Immunität geniessen und nicht vom Volk gewählt oder abgewählt werden können. Ich bin überzeugt, dass der für den Tierschutz verantwortliche Bundesrat Delamuraz in einer Volkswahl keine Chance hätte. Anstatt seinen Auftrag ernst zu nehmen und das Tierschutzgesetz durchzusetzen, hat er öffentlich erklärt, er sei Liebhaber von Gänsestopflebern - eine bekanntlich äusserst grausam produzierte, perverse "Delikatesse".

Tierschutzorganisationen haben keine rechtlichen Möglichkeiten, gegen die landesweite Verletzung des Tierschutzgesetzes vorzugehen. Das Bundesgericht hat kürzlich dem VgT das Klagerecht auch im Zusammenhang mit unlauterem Wettbewerb abgesprochen: so muss der VgT - jeglicher Rechtsmittel beraubt - tatenlos zusehen,
- wie Eier von Hühnern, die nie im Freien sind, als angebliche "Freilandeier" verkauft werden,
- wie für Fleisch geworben wird aus angeblich tier- freundlicher Haltung, während die Tiere in Tat und Wahrheit in tierquälerischen Kastenständen und Einzelboxen gehalten werden,
- wie das Warenhaus Jelmoli im Katalog "Daunen aus artgerechtem Handrupf" anbietet, während das Gänserupfen in Wirklichkeit eine bestialische Prozedur darstellt und es diesbezüglich eine, wie in der Jelmoli-Werbung suggeriert, tierschonende Handarbeit gar nicht gibt,
- wie das Modehaus Spengler Pelzmäntel aus angeblich tierfreundlichen Pelztierzuchten anbietet, während es tierfreundliche Zuchten tatsächlich gar nicht gibt und die Firma überhaupt nicht weiss, wo diese angeblich "tierfreundlichen" Pelztierzuchten sind.

Der Schweinestall des Missionshauses Immensee wurde kürzlich, nach anhaltenden Protesten des VgT und vielen kritischen Zuschriften aus der Öffentlichkeit, endlich umgebaut, allerdings leider nur teilweise. Nach wie vor müssen die Mutterschweine eingesperrt in nur gerade körpergrossen Kastenständen gebären und dann ihre Jungen säugen. Das Muttertier kann sich darin nicht einmal zu den Jungen umdrehen, um diese zu beschnuppern - eine von den vielen erlaubten Tierquälereien. Empörend, dass ein christliches Institut Gesetzeslücken dazu missbraucht, empfindsame, leidensfähige Lebewesen derart zu vergewaltigen.

Die Tierschutzverordnung erlaubt die Haltung von auf einer Fläche von nur wenig mehr als 1/2 Quadratmeter pro ausgewachsenes Mastschwein und erst noch auf einstreulosen Vollspaltenböden. Der starke Instinkt der Schweine nach Trennung von Kot- und Liegeplatz wird so gewaltsam unterdrückt und die Tiere müssen im eigenen Kot liegen, in extremer Enge und Eintönigkeit.

In Artikel 26 der Tierschutzverordnung erlaubt der Bundesrat das Schnabelcoupieren bei Küken. Das massenhafte Abklemmen oder Abbrennen der empfindlichen Schnäbel durch angelernte, meist ausländische Hilfskräfte, stellt eine qualvolle Verstümmelung der Tiere dar, welche bei tiergerechter Haltung unnötig wäre. Der Bundesrat erlaubt damit unter Missachtung des Tierschutzgesetzes unnötige Tierquälerei, die einzig und allein zur Profit-Maximierung betrieben wird: Es werden derart viele Tiere in die Ställe hineingepackt (bis zu 20 Tiere pro Quadratmeter), dass die Tiere im Stress dieser dauernden extremen Übervölkerung und Langeweile verhaltensgestört werden und sich gegenseitig blutig picken. Das führt zu Infektionen und Abgängen. Damit sie sich weniger gut picken können, werden ihre Schnäbel verstümmelt, anstatt eine artgerechte Haltung einzuführen. Mit der Erlaubnis des Schnabelkürzens leistet der Bundesrat Beihilfe zur tierquälerischen Intensivtierhaltung, anstatt diese einzuschränken. Damit verletzt er ganz offensichtlich das Tierschutzgesetz.

In Ziffer 12.1 der Richtlinien für die Haltung von Schweinen des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVet) heisst es : "Eine Beleuchtungsstärke von 15 Lux bedeutet für den Menschen eine visuelle Orientierungsmöglichkeit, aber nur knapp genügend Licht, um längere Zeit lesen oder schreiben zu können." 15 Lux bedeuten also eine recht düstere Beleuchtung (Keller-Atmosphäre, auch bei draussen sonnigem Wetter und strahlend blauem Himmel, den die bedauernswerten Tier-KZ-Opfer nie zu sehen bekommen). Aber nicht einmal diese lumpigen 15 Lux schreibt der Bundesrat für die Geflügelhaltung vor, sondern nur 5 Lux, was praktisch einer Dunkelhaltung gleichkommt. Hühner sind bekanntermassen stark lichtorientiert und reagieren körperlich und in ihrem Verhalten stark auf den Sonnenstand und den Tages- und Jahreslauf. Fenster sind keine teuren Einrichtungen. Mit diesem extrem tiefen Mindestbeleuchtungswert von 5 Lux (bei allen anderen Tieren sind es 15 Lux) verfolgt der Bundesrat offensichtlich einmal mehr die Absicht, in der Praxis extreme Tierbesatzdichten zu erleichtern, ja geradezu dazu zu ermuntern, indem er ausdrücklich die praxisüblichen Symptombekämpfungsmassnahmen gegen die haltungsbedingten Aggressionen und Verhaltensstörungen erlaubt. Sehr oft werden damit in der Praxis vorhandene Fenster bis auf 5 Lux hinunter abgedunkelt.

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Kastenstand für Mutterschweine: vom Bundesrat erlaubte Tierquälerei


In der Tierschutzverordnung erlaubt der Bundesrat die Haltung von Kälbern in extrem kleinen Einzelboxen (kleiner als zum Beispiel in Deutschland und in der EG erlaubt), wo diese jungen, spielfreudigen Tiere ihr ganzes Leben (bis zur Schlachtung) keinen Schritt gehen, sich nicht umdrehen, geschweige denn einenKälbersprung vollführen können. Auch jeglicher Sozialkontakt mit der Mutter oder mit anderen Artgenossen wird ihnen verunmöglicht, was für diese von Natur aus geselligen Herdentiere besonders starkes psychisches Leiden bedeutet. Neugeborene Kälber stehen schon in der ersten Stunde nach der Geburt auf und schliessen sich am dritten oder vierten Lebenstag der Herde an, wo sie Gruppen von Jungtieren bilden ("Kindergärten") und im Rennen, Springen und Bocken miteinander spielen. Die soziale Isolation in der Einzelhaltung stellt eine schwere Vergewaltigung der Grundbedürfnisse dieser Tiere dar. Hiefür besteht nicht einmal eine wirtschaftliche oder betriebliche Rechtfertigung. Die Gruppenhaltung von Kälbern ist praxiserprobt und wirtschaftlich. Sogar die Schweizerische Kälbermästervereinigung befürwortet seit Verhandlungen mit dem VgT im Jahr 1992 ein Verbot der Einzelhaltung. Trotzdem erlaubt der Bundesrat diese Tierquälerei immer noch.

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Tierquälerische Intensiv-Rindermast auf Vollspaltenböden - vom Bundesrat erlaubt


Die Tierschutzverordnung erlaubt das Halten von Kälbern und Rindern auf Vollspaltenböden auf engstem Raum. Artgemässes Liegen und Spielverhalten ist nicht möglich. Das Liegen ist für Kälber und Rinder ganz allgemein ein wichtiges Verhalten; rund die Hälfte der Zeit verbringen sie zum Ruhen oder Wiederkäuen im Liegen. Sie bevorzugen zum Liegen sauberen, trockenen, weichen und verformbaren Boden wie eine Wiese oder einen mit Stroh eingestreuten Platz im Stall. Finden sie keinen entsprechenden trockenen Platz, so bleiben sie lieber auch über längere Zeit stehen. Da sie meist in Bauch-Seitenlage mit untergeschlagenen Extremitäten ruhen, bevorzugen sie als Liegefläche weichen Boden, der sich den Konturen der Körperunterseite möglichst anpasst und dadurch eine gleichmässige Druckverteilung schafft. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Tiere bei einstreuloser Haltung das Liegen häufiger unterbrechen. Wie die meisten jungen Tiere sind Kälber sehr spielfreudig. Eine typische Lautäusserung und Schwanzhaltung sind charakteristisch für das Spielverhalten. Durch eine bestimmte Aufforderungsbewegung soll ein Partner zum Mitspielen animiert werden: Das auffordernde Tier läuft auf den vorgesehenen Kumpanen zu, bremst den Lauf mit kurzen Bocksprüngen ab und schüttelt ruckartig den tiefgehaltenen Kopf. Solches Spielverhalten ist auf Vollspaltenböden nicht möglich. Die Tiere können keine Sprünge ausführen und nicht artgemäss laufen, da sie bei jedem Sprung Gefahr laufen, in den Spalten stecken zu bleiben und zu stolpern.

Der Bundesrat erlaubt die brutale Käfig- und Kastenhaltung von Kaninchen ausdrücklich, anstatt diese zu verbieten, wie das Artikel 4 des Tierschutzgesetzes von ihm verlangt.

In der Beantwortung zahlreicher parlamentarischer Vorstösse und Petitionen hat es der Bundesrat bis heute immer wieder abgelehnt, diese offensichtlichen Tierquälereien zu verbieten. Als Rechtfertigung führt er fadenscheinige wirtschaftliche Begründungen an.

Die völlig ungenügende und gesetzwidrige Tierschutzverordnung des Bundesrates wird durch die Richtlinien des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVet) weiter zugunsten der Tierhalter, auf Kosten der Tiere, abgeschwächt. Das Bundesamt für Veterinärwesen missbraucht seinen gesamten Handlungsspielraum dazu, eine wesentliche Auswirkung des Tierschutzgesetzes in der Praxis zu verhindern. Immer wieder praktiziert es auch offene Missachtungen des Tierschutzgesetzes, um pflichtvergessene Veterinärkollegen in den Kantonen und fehlbare Tierhalter zu decken. Dieses Amt, welches die Oberaufsicht über den Tierschutzvollzug ausüben müsste, fühlt sich berechtigt, das Tierschutzgesetz aufzuheben, wo es für die Tierhalter "wirtschaftliche" Auswirkungen hat. Der Bundesrat seinerseits schützt seine mafiosen Beamten vor Strafverfolgung und hat die Eröffnung einer Strafuntersuchung aufgrund einer Strafanzeige des VgT verhindert.

Schweine haben unter normalen, artgerechten Haltungsbedingungen eine tägliche Aktivitätszeit von 8 bis 10 Stunden. Dieses arteigenen Bedürfnisse hat das BVet in seinen Richtlinien vorsätzlich übergangen, aus dem einzigen Grund, Schweinehalter zu begünstigen, indem diesen die wirtschaftlichen Folgen des Tierschutzgesetzes erspart bleiben sollen: Für die Beschäftigung abgesetzter Ferkel soll nach diesen Richtlinien schon ein Stück Holz genügen. Mit der unpräzisen Formulierung "benagbares Holz" hat das BVet einmal mehr im voraus dafür gesorgt, dass die rudimentären Alibi-Vorschriften in der Praxis nichts enthalten, was die Wirtschaftlichkeit der tierquälerischen Intensivtierhaltungen tangieren könnte. So treffen wir nicht selten eine rostige Kette mit einem alten, dreckigen Stück Holz als einzige "Beschäftigung" für eine ganze Gruppe von Mastschweinen. Strohraufen, welche vom BVet "geprüft" und zugelassen wurden, haben eine derart enge Maschenbreite, dass die Tiere keine Chance haben, das Stroh herauszuzupfen, wenn es satt eingefüllt wird. Das haben die Mäster schnell begriffen: Sie pressen Stroh so hinein, dass die Halme parallel zum Gitter liegen. Dann müssen sie nie mehr nachfüllen - und die Tierschutzbeamten protokollieren: "Beschäftigung in Form von Strohraufen vorhanden. Haltlose Strafanzeige des VgT".

Das BVet missbraucht die Übergangsbestimmungen der 1981 in Kraft gesetzten Tierschutzverordnung zur endlosen Tolerierung der als grob tierquälerisch bekannten Kastenstände für Sauen. Weil die Fachleute der Prüfstelle für Stalleinrichtungen des BVet genau wissen und auch nicht bestreiten, dass Kastenstände für Schweine eine Tierquälerei darstellen, hat das BVet solche bis heute zwar nicht bewilligt, lehnt jedoch die entsprechenden Gesuche auch nicht ab, sondern lässt sie endlos in der Schublade, um den Gesuchstellern weiterhin die Fabrikation und den Verkauf der alten Systeme zu ermöglichen, welche schon vor 1981 auf dem Markt waren. Es ist offensichtlich, dass dies nicht die Meinung dieserÜbergangsbestimmung war. Einmal mehr wird hier das Tierschutzgesetz verletzt, um Einzelnen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen.

Heute ist allgemein bekannt und anerkannt, dass die Haltung von Legehennen in Batterie-Käfigen eine Tierquälerei darstellt. Das Tierschutzgesetz verbietet darum diese Haltungsart. Ueber die Intensivhaltung von Mast- und Lege-Wachteln enthält die Tierschutzverordnung keine spezifischen Vorschriften. Diese Lücke hat das BVet dazu missbraucht, für diese Wildvögel (Wachteln sind Zugvögel) die Haltung in Batterie-Käfigen zu erlauben.

In der Richtlinie des BVet über die Haltung von Wachteln, werden diese Tiere wie folgt charakterisiert: "Wachteln sind kleine Feldhühner, die ein Gewicht von 160 g bis 180 g erreichen. Die gesamte Körperlänge beträgt 160 bis 180 mm. ... Sie sind sehr schreckhaft und pflegen bei vermeintlicher Gefahr steil aufzufliegen." An Zynismus kaum zu übertreffen sind die "Tierschutz"-Vorschriften, welche das BVet für die Gehege dieser Zugvögel aufstellt: "Die Käfige sollen so flach sein, dass die Tiere nicht auffliegen und sich die Köpfe einschlagen können." Die vorgeschriebene Höhe der Käfige beträgt 18 cm(!), die Mindestfläche der Käfige 0.25 m2. Jede ausgewachsene Wachtel hat gerade soviel Platz wie eine Ovomaltinebüchse einnimmt. Es lohnt sich, diese Vorschrift des BVet zu analysieren: Die Tiere sollen sich nicht "die Köpfe einschlagen können." Das sieht auf den ersten Blick nach Tierschutz aus, ist aber ein rein wirtschaftlicher Aspekt, um die Tierhalter vor Abgängen zu bewahren. Für diese bedauernswerten, schreckhaften Wildtiere wäre es eine humane Erlösung, wenn sie sich in diesen Folterkäfigen die Köpfe einschlagen könnten. Was für das Haustier Huhn, das über Jahrhunderte an die Stallhaltung gewöhnt wurde, seine Flugfähigkeit eingebüsst hat und recht behäbig geworden ist - nicht mehr gewohnt, vor Feinden zu fliehen -, was also für dieses Tier verboten wurde: die Batterie-Käfig-Haltung, das erlaubt die Abteilung "Tierschutz" des Bundesamtes für Veterinärwesen still und leise für wilde "schreckhafte" Zugvögel. Und das alles nur, damit ein paar perverse Gourmands sich die Besonderheit von Wachtelbraten und Wachtel-Eierchen leisten können. Wenn diese Wild-Tiere nicht artgerecht und ohne viele Verluste massenhaft in Volièren gehalten werden können, ist der Bundesrat laut Artikel 4 des Tierschutzgesetzes verpflichtet, solche Haltungsarten zu verbieten. Stattdessen wird die Haltung dieser Tiere in winzigen Käfigen erlaubt, ja sogar vorgeschrieben, wo sie sich kaum mehr bewegen können: Die Käfighöhe von 18 cm hat das Bundesamt für Veterinärwesen nach eigenen Angaben so festgelegt, dass sich die Vögel gerade noch strecken können. Man braucht kein Ornithologe zu sein, um zu erkennen, dass ein Käfig, in dem sich diese Zugvögel nur gerade noch strecken können, nichts mehr mit den Grundsätzen des Tierschutzgesetzes zu tun hat.

Gemäss dem eidgenössischen Raumplanungsgesetz dürfen in der Landwirtschaftszone nur standortgebundene Bauten errichtet werden. Doch wenn es darum geht, die Agro-Lobby zu begünstigen, bleibt auch dieses Gesetz toter Buchstabe: Einige Kantone bewilligen - gesetzwidrig - laufend neue bodenunabhängige Tierfabriken. Mehrere Fälle hat der VgT bis vor das Bundesgericht gezogen. Dieses hat aber diese Gesetzwidrigkeit gar nicht untersucht, sondern lediglich festgestellt, der VgT sei nicht klageberechtigt. Und Bundesrat Koller hat sein Bundesamt für Raumplanung angewiesen, nichts gegen diese gesetzwidrigen Baubewilligungen zu unternehmen.

Angesichts dieser Rechtswidrigkeit im Tierschutzvollzug und der Rechtlosigkeit der Tierschutzorganisationen hat in jüngster Zeit eine unter dem Namen "Tierbefreiungsfront" (TBF) auftretende Untergrundorganisation immer häufiger von sich reden gemacht. Diese Leute sind nicht mehr bereit, sich im Kampf gegen die Tierquälerei peinlich an die Rechtsordnung zu halten, solange sich die Landesregierung und die Tierschutzbeamten ihrerseits nicht an das Gesetz halten. Mit spektakulären Tierbefreiungen und Sabotageaktionen gegen die für die gewerbsmässige Tierquälerei Verantwortlichen soll die Öffentlichkeit wachgerüttelt werden. Ich befürworte solche Aktionen, weil es dazu leider keine Alternativen mehr gibt, und stelle mich deshalb der TBF gelegentlich als Pressesprecher zur Verfügung.


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VN95-4,  April 1995
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