VN1995-1

Die Haltung von Labor-Ratten

von U Lanker, Tierpfleger im AO-Forschungsinstitut Davos

Ich arbeite im AO-Forschungsinstitut in Davos als Tierpfleger (AO steht für Arbeitgemeinschaft für Osteosynthese). Meine Grundausbildung ist Bauer. Dieser Tätigkeit gehe ich in meiner Freizeit gerne nach. Ich wohne ziemlich abgelegen, so dass wir (meine Frau und ich) unsere Schafe, Katzen, Kaninchen und Hühner frei herumlaufen lassen können. Im AO-Forschungsintitut betreuen wir (vier vollberufliche Tierpfleger) Schafe, Hunde, Kaninchen, Mäuse und Ratten.

Der Inhalt meines Vortrages bezieht sich auf die Versuchstierhaltung bei der Ratte. Ich bin kein Wissenschaftler. Daher ist mein Referat auf praxisbezogene Erfahrungen und Kenntnisse aufgebaut. Im AO-Forschungsinstitut halten wir im Vergleich zu anderen Instituten nur wenige Ratten. Wir brauchen die meisten Ratten für Zellkulturen. Das heisst, den Tieren werden nach dem Einschläfern bestimmte Zellen entfernt. Die entnommenen Zellen werden in Kulturen weitergezüchtet. Diese Alternative zum Tierversuch wird schon seit Jahren durchgeführt.

Die Ratten werden in sogenannten Macralon-Käfigen gehalten. Wir bemühen uns, den Ratten genügend Platz zu geben, da die minimalen Anforderungen des Tierschutzgesetzes unserer Meinung nach zu gering sind.

Den Ratten und Mäusen wird der Käfig zweimal in der Woche gewechselt. Der Käfig wird mit viel Sägemehl und Papier (Beschäftigungstherapie) ausgestattet. Die gebrauchten Käfige werden in der Abwaschmaschine gewaschen und anschliessend getrocknet. Die Abdeckgitter werden jeden Monat gewechselt.

An der Nackenhaut oder am Bauch werden die Ratten von einem Käfig in den anderen transportiert. Wichtig ist der richtige Umgang mit der Ratte. Für das Tier muss es ein normaler, selbstverständlicher Ablauf sein, ohne Aufregung und Angst. Es scheint mir auch wichtig, dass die Ratten wenn möglich immer von derselben Person betreut werden. Dies vereinfacht auch eine Kontrolle des Gesundheitszustandes der einzelnen Tiere.

Täglich wird das Wasser gewechselt und kontrolliert, ob genügend Futter vorhanden ist. Gleichzeitig werden die Rattengruppen beobachtet und kontrolliert. Das Futter ist würfelförmig und wird den Ratten in der Versenkung im Gitterdeckel angeboten. Diese Würfel beinhalten alles, was die Ratte für eine ausgewogene Ernährung braucht.

Im Frühjahr besuchte uns Herr Dr. Kessler und machte uns auf die Macralon-Käfige aufmerksam, die seiner Ansicht nach den heutigen Ansprüchen nicht mehr entsprechen. Wir machten uns Gedanken über die Haltung der Ratten im allgemeinen. Anhand des Muster-Terrariums des Clubs der Rattenfreunde suchten wir nach Lösungen. Ich besorgte einen grossen Hamsterkäfig. Diesen haben wir entsprechend einzurichten versucht.

Meine Eindrücke und Beobachtungen: Die Ratten erforschen den Käfig ausgiebig und nutzen den ganzen Käfig. Beim Umgang mit den Tieren, Reinigung des Käfigs, verstecken sie sich im Häuschen. Einzelne kommen neugierig heraus, schnuppern und verstecken sich bei Unsicherheiten im Häuschen oder anderen sicheren Plätzchen. Im Macralon-Käfig haben die Ratten diese Möglichkeit nicht. Sie sind interessiert was geschieht, können sich jedoch bei Unsicherheiten nicht zurückziehen. Es kann zu Agressivität führen, da sie keinen anderen Ausweg sehen. Der Spieltrieb und die allgemeine Tätigkeit ist im grossen Käfig wesentlich besser möglich.

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Grösster Typ des Macralon-Käfigs (Typ IV), mit weit weniger Tieren besetzt als zulässig (zulässig wären 5 Ratten!)

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Neuer Käfig (Prototyp): viel grösser als der Macralon-Käfig und mit Nestbox (Häuschen), Kletter- und Versteckmöglichkeiten eingerichtet.

Einer der wichtigstens Punkte in der Labortierhaltung ist die Hygiene. Der grosse Käfig ist von der Hygiene aus betrachtet für die Labortierhaltung nicht geeignet. Das Material müsste leicht zu reinigen sein. Auch die Anordnung im Inneren des Käfigs muss gut durchdacht sein, so dass die Tiere möglichst artgerecht gehalten werden und die Ratten, ohne dass grosse Unruhen entstehen, herausgenommern werden können.

Kurz zusammengefasst:

• Wir möchten den Ratten eine möglichst artgerechte Haltung anbieten.

• Die ideale Lösung zeigt uns die Natur.

• Diese Haltung werden wir den Ratten nie anbieten können.

• Wir müssen aus der idealen Haltung die wichtigsten Punkte für unsere Haltung herausnehmen.

• Ein wichtiger Punkt scheint mir, dass die Ratten sich in einen Schlupf zurückziehen können, wo sie sich geborgen und sicher fühlen.

• Der Käfig muss funktionell, aus tierfreundlichem Material gebaut und leicht zu reinigen sein (evtl. Kunststoff). Der Käfig kann auch Sachen beinhalten, die bei jeder Reinigung ersetzt werden. Wie z.B. Holzleitern, Zweige, Seil oder/und leere WC-Rollen.

Zum Schluss noch einige Gedanken: Tierversuche werden nicht von heute auf morgen abgeschafft. Unsere Aufgabe ist es daher, diesen Tieren ein möglichst artgerechtes Dasein und eine möglichst gute Haltung anzubieten. Um dies zu verwirklichen, müssen wir gemeinsam nach Lösungen suchen. Sich gegenseitig angreifen, hilft den Tieren nicht! Wir haben Pflichten gegenüber dem Tier, die wir gemeinsam wahrnehmen wollen und müssen. Ein gutes Beispiel ist der Besuch von Herrn Dr. Kessler. Bevor Herr Kessler uns besuchte, wurden wir vor ihm gewarnt. Im Gespräch machte er uns auf die Rattenhaltung aufmerksam. Wir müssen eingestehen, dass es keine gute Haltung ist. Ohne das Gespräch mit Herr Dr. Kessler wären wir nie dazu gekommen, unsere Rattenhaltung zu überdenken und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.


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