VN 09-1, April 2009

Leserbrief

Eine wahre Geschichte über Mut und Verzweiflung

Ich liebe die Tiere von ganzem Herzen, sie waren meine Freunde, bevor ich einen Menschen als Freund bezeichnen konnte. Tiere waren für mich von Anfang an nicht nur Lebewesen, die eine Empfindungsseele haben, sondern Geschöpfe, die weitaus mehr Intelligenz haben, als die Menschheit zu erkennen vermag! Ich bin überzeugt, dass wir das Wesen unserer Tiere total unterschätzen und sie tagtäglich aufs grausamste misshandeln.

Im Jahre 1975, als ich zehn Jahre alt war, ging ich in Wattwil zur Schule. Mein Schulweg führte mich an einer Metzgerei vorbei, die es heute nicht mehr gibt. Jeden Montag hörte ich das Geschrei der Schweine, es tönte so in meinen Ohren, als wollten sie sagen: „Hilfe!“ Ich beschloss dann, dass ich sie retten möchte. Ich plante alles genau und beobachtete, wann die Schweine ankamen, wann und wie es eine günstige Gelegenheit geben würde, das Gatter zu öffnen, und wo ich mich verstecken könnte. Damals wusste ich vor der Aktion noch nicht, dass ich die Schweine nicht retten konnte, sondern ihren Tod nur verzögerte. Gesagt, bzw. geplant – getan! Das war vielleicht ein Abenteuer. Nachdem ich erkannte, was ich da angestellt hatte, bekam ich ein schlechtes Gewissen. Die freigelassenen Schweine rannten in panischer Angst morgens um 5 Uhr in Wattwil auf den Strassen umher! Die Polizei und die Feuerwehr mussten sie wieder einfangen. Eigentlich wollte ich danach normal zur Schule gehen, aber ich hatte so ein schlechtes Gewissen, dass ich zurückging und mich stellte. Auf dem Weg zur Metzgerei dachte ich, jetzt werde ich ins Gefängnis kommen. Zuerst brüllte mich der Metzgermeister ordentlich an und zählte mir die Folgen meines Befreiungsaktes auf. Auf einmal wurde er aber etwas freundlicher und sagte zu mir, er finde es sehr gut, dass ich den Mut hatte, mich zu stellen und darum werde er keine Anzeige erstatten. Allerdings musste ich für ein halbes Jahr jeden Mittwochnachmittag Fleischrollis waschen. Er versuchte mir auch zu erklären, dass nicht alle Metzger gemein zu den Tieren seien. Dass es noch viel schlimmere Orte gibt, wie z.B. Schlachthöfe und Tierfabriken, wusste ich als 10-jähriger Knabe noch nicht.

Als ich etwa 20 Jahre alt war, hörte ich ab und zu den Namen des Tierschützers Erwin Kessler. Ich las auch in der Zeitung hin und wieder etwas von diesem Mann. Oft dachte ich: Genauso möchte ich werden! Ich war sehr froh zu wissen, dass es Menschen gibt, die sich so für unsere Tiere einsetzen. Insgeheim hoffte ich, diesem Mann mal zu begegnen, damit ich ihm persönlich für seine mutige und grossartige Arbeit danken kann. Dieser Wunsch ist nun in Erfüllung gegangen. Als ich in einem Reformladen zufällig seine Frau kennenlernte, wusste ich noch nicht, dass ich so nah an meinem Idol war. Als ich dies dann erfuhr und bald darauf in diesem Reformgeschäft Erwin Kessler persönlich kennenlernen konnte, freute ich mich sehr.

Über all die Jahre dachte ich oft an Erwin Kessler und seine Arbeit. Auch wenn ich ihn lange nicht persönlich gekannt habe, so hat er mich ermutigt, für die Rechte und das Wohlergehen unserer Tiere zu kämpfen. Es gab immer wieder Situationen in meinem Leben, wo ich nicht wegschauen wollte, sondern handelte. So auch in meinen Flitterwochen im Jahre 1990 in der Türkei: Ich glaubte zuerst nicht, was ich da sah. Wir waren gerade in einem Schiffshafen, wo ich von weitem schon das Gebrüll einer Kuh hörte. Als ich hinzueilte und sah, dass die Kühe am Hinterbein mit Ketten aufs Schiff verladen wurden, rastete ich total aus. Meine damalige Frau erzählte mir später, dass sie mich zurückhalten wollte, ich aber nicht mehr auf sie hörte. Ich eilte zum Kranführer, kletterte in die Kabine hoch und beschimpfte ihn massiv. Er verstand mich jedoch nicht und machte einfach weiter. Dann ging alles sehr schnell. Zufälligerweise war die Polizei in der Nähe und nahm mich mit aufs Revier. Die Schweizer Botschaft brauchte drei Tage, um mich aus der U-Haft zu holen. Leider konnte ich auch dieses Mal den Tieren nicht helfen.

Es muss also andere Wege geben, um wirklich helfen zu können. Ich fing an, meinen Freundeskreis über die Misshandlungen von Tieren aufzuklären und das mache ich bis heute.

Ich möchte allen, die sich für die Tiere einsetzen, Mut machen nicht aufzugeben. Vielen Dank Herr Kessler!

Cornel Kleger, Wil


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