22. Januar 1999

Gerichtserfolg des VgT in der Auseinandersetzung mit dem Kloster Fahr:
Bezirksgericht Z�rich beurteilt Kritik des VgT an der kl�sterlichen Tierhaltung als nicht rechtswidrig!

Die Kritik des VgT an der kl�sterlichen Tierhaltung war nicht rechtswidrig. Der kl�sterliche Betriebsleiter, der eine friedliche Tiersch�tzerin mit Gewalt am Verteilen eines Flugblattes hinderte, kann sich nicht auf Notwehr berufen. Der VgT erh�lt rund 1000 Fr Entsch�digung.

An Weihnachten 1995 verteilte eine Tiersch�tzerin in einem Engelskost�m vor der Kirche des Klosters Fahr ein Flugblatt mit einem Aufruf zur Besinnung an das Tierleid in den kl�sterlichen Stallungen (Wortlaut des Flugblattes im Internet: www.vgt.ch/vn/vn98-5.htm#kl�sterlich). Der Betriebsleiter des kl�sterlichen Gutsbetriebes, Beat Fries, griff die Tiersch�tzerin t�tlich an und versuchte, sie mit Gewalt am Verteilen dieser Weihnachtsbotschaft zu hindern. Die Bezirksanwaltschaft Z�rich hielt fest, dass der Tatbestand der N�tigung erf�llt sei, wies die Klage aber trotzdem ab mit der Begr�ndung, das Flugblatt sei ehrverletzend gewesen und Fries habe sich in einer Notwehrsituation befunden. Dagegen erhob der VgT Rekurs mit der Begr�ndung, die behauptete Ehrverletzung sei willk�rlich angenommen worden, ohne den Wahrheitsbeweis abzunehmen. Zudem habe das Kloster gegen angebliche Ehrverletzungen auf dem Rechtsweg, nicht mit Wildwest-Methoden und Gewaltanwendungen vorzugehen. Die gewaltsame Behinderung des Verteilens von Flugbl�ttern auf �ffentlichm Grund stelle eine Verletzung der Meinungs�usserungsfreiheit dar, die vom Staat zu sch�tzen sei. 

Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Z�rich wies den Rekurs gegen die Einstellung des Strafverfahrens zweimal ab. Zweimal hiess das Obergericht Beschwerden gegen die Abweisung des Rekurses gut. Im dritten Anlauf ist der Rekurs nun gutgeheissen und die Sache zur erneuten und korrekten Behandlung an die Bezirksanwaltschaft zur�ckgewiesen worden (Verantwortlich f�r den nun aufgehobenen Willk�rentscheid war der  Z�rcher Bezirksanwalt A Spiller).

Anmerkung:
Nach den am Augenschein vom 18.2.98 erstmals festgestellten Verbesserungen in der Tierhaltung hat der VgT seine Kampagnen gegen das Kloster Fahr eingestellt mit der Begr�ndung, die Situation sei jetzt zwar zuwenig tierfreundlich, um zufrieden zu sein, jedoch auch zu wenig schlimm, um weitere Kampagnen zu rechtfertigen (www.vgt.ch/vn/9803/vn98-3.htm#Fahr). Hingegen wird der VgT weiter �ber den Verlauf der noch h�ngigen zahlreichen Gerichtsverfahren - mit Ausnahme des vorliegenden alle vom Kloster angestrengt - berichten, denn der VgT kann im Interesse seines Vereinszweckes insbesondere die totalen Demonstrations- und Meinungs�usserungsverbote wegen deren grunds�tzlicher Bedeutung nicht einfach schweigend hinnehmen.


Auszug aus dem Urteil:

Berzirksgericht Z�rich
Einzelrichter f�r Zivil- und Strafsachen


Prozess Nr U/GR980085


Vizepr�sident lic iur J-P Bozzone

...

 Verf�gung vom 30. Dezember 1998

in Sachen

..., vertreten durch Dr Erwin Kessler...

gegen

1. Bezirksanwaltschaft Z�rich...

2. Beat Fries, ..., Betriebsleiter, c/o Kloster Fahr, 8103 Unterengstringen

betreffend Rekurs gegen die Einstellungsverf�gung vom 30. September 1996 in der Strafuntersuchung Nr 96/04633, betreffend N�tigung, T�tlichkeiten.

...

1. Art. 28 ZGB

... 

1.3. Der Vorwurf, dass die Tierhaltung in einem bestimmten landwirschaftlichen Betrieb auf Tierqu�lerei hinauslaufe, beeintr�chtigt das moralische Ansehen der den fraglichen Betrieb f�hrenden Institution oder Personen, gilt doch Tierqu�lerei, auch wenn sie nicht in einer strafbaren Form erfolgt, als etwas moralisch Verwerfliches. Der im vom Verein gegen Tierfabriken verteilten Flugblatt gegen�ber dem Kloster Fahr erhobene Vorwurf, dass die Tierhaltung im Gutsbetrieb des Klosters zum Teil auf Tierqu�lerei hinauslaufe, war demnach geeignet, das moralische (und das gesellschaftliche) Ansehen des Klosters in den Augen der Leser des Flugblattes herabzusetzen, dies umso mehr, als es sich beim Kloster Fahr um eine christliche Institution handelt, von der besondere R�cksichtnahme auch gegen�ber Tieren erwartet wird. Damit verletzte das Flugblatt die Pers�nlichkeit des Klosters Fahr. 

1.4. Die mit dem Flugblatt erfolgte Verletzung der Pers�nlichkeit des Klosters Fahr war indessen nicht rechtswidrig, da sie durch ein �ffentliches Interesse gerechtfertigt war, welches dasjenige des Klosters Fahr daran, in seiner Pers�nlichkeit nicht verletzt zu werden, �berwog (5. Art. 28 Abs. 2 ZGB). Der Verein gegen Tierfabriken strebt - was allgemein bekannt ist - seit vielen Jahren eine Besserstellung der Nutztiere in der Schweiz an. Um diesem berechtigten, von einer breiten Oeffentlichkeit geteilten Anliegen mehr und mehr zum Durchbruch zu verhelfen, ist der Verein gegen Tierfabriken aber - als kleine Organisation ohne grosse politische Einflussm�glichkeiten - darauf angewiesen, immer wieder durch gezielte, ein St�ck weit provozierende Aktionen die Oeffentlichkeit daran zu erinnern, dass die Tierhaltungsformen in vielen landwirtschaftlichen Betrieben noch verbesserungsbed�rftig sind. Um solchen Aktionen die n�tige Wirkung zu verleihen, kommt er dabei nicht darum herum, die Tierhaltungsformen auch in ganz bestimmten, in der Oeffentlichkeit n�her bekannten landwirtschaftlichen Betrieben zu kritisieren. Die betroffenen Betriebe haben sich die entsprechende Kritik grunds�tzlich gefallen zu lassen, sofern sie in einer sachlich noch vertretbaren Weise erfolgt. Es besteht n�mlich in einer Demokratie grunds�tzlich ein �ffentliches Interesse daran, dass auch kleinere Organisationen oder Gruppierungen ihre politischen Anliegen wirksam vertreten k�nnen, zeigt doch die Geschichte, dass es vielfach kleine(re) Organisationen oder Gruppierungen sind, die die Verbesserungen in vielen Bereichen unserer Gesellschaft initialisiert haben. Demnach war aber die Flugblattaktion vom 24. Dezember 1995 - die Kritik an den Tierhaltungsformen im Kloster Fahr erfolgte im Flugblatt in einer sachlich vertretbaren Weise (5. Ziffer 2) - durch ein �ffentliches Interesse gedeckt, das das Interesse des Klosters Fahr, nicht in seiner Pers�nlichkeit verletzt zu werden, �berwog. Dass der Aktion vom 24. Dezember 1995 w�hrend eines Zeitraumes von �ber einem Jahr (s. Urk. 37 5. 2) bereits verschiedene andere, die Tierhaltungsformen im Kloster Fahr kritisierende Aktionen seitens des Vereins gegen Tierfabriken vorausgegangen waren (s. Urk. 31 5. 19), �ndert hieran nichts, muss doch eine halb�ffentliche Institution wie ein Kloster es sich gefallen lassen, auch �ber einen l�ngeren Zeitraum (wenn auch nicht beliebig lang) in der Oeffentlichkeit kritisiert zu werden.

...

Anhaltspunkte daf�r, dass das vom Verein gegen Tierfabriken am 24. Dezember 1995 verteilte Flugblatt gravierendere unwahre, das moralische Ansehen des Klosters Fahr herabsetzende Tatsachenbehauptungen enth�lt (in welchem Falle das Flugblatt ohne weiteres einen widerrechtlichen Charakter h�tte; s. hiezu Pedrazzini/Oberholzer, a.a.O., 5. 144), liegen nicht vor.

1.5. Aus dem vorstehend Ausgef�hrten ergibt sich, dass das vom Verein gegen Tierfabriken am 24. Dezember 1995 verteilte Flugblatt aus dem Blickwinkel des Pers�nlichkeitsschutzes keinen widerrechtlichen Charakter hat. Damit war aber der Rekursgegner 2 insoweit nicht berechtigt, die Rekurrentin an der (weiteren) Verteilung des Flugblattes zu hindern. 

2. Art. 173 ff. StGB 

Die durch Art. 173 ff. StGB gesch�tzte Ehre ist der Anspruch einer Person auf Geltung. Darunter sind der Ruf und das Gef�hl einer Person zu verstehen, ein ehrbarer Mensch zu sein, d.h. sich so zu benehmen, wie nach allgemeinen Anschauungen ein charakterlich anst�ndiger Mensch sich zu verhalten pflegt (Rehberg/Schmid, a.a.O., 5. 295 f.). Gesch�tzt durch die Art. 173 ff. StGB ist dabei auch die Ehre juristischer Personen (Rehberg/Schmid, a.a.O., 5. 298). Nicht rechtswidrig ist eine Verletzung der Ehre, wenn sie mittels wahrer Tatsachenbehauptungen oder solcher, die der Verletzer f�r wahr halten durfte, oder aber mittels vertretbarer gemischter (auf Tatsachenbehauptungen beruhender) Werturteile erfolgt (Art. 173 Ziff. 2 StGB; Rehberg/Schmid, a.a.O., 5. 311 und 5. 315) sowie wenn sie nicht vorwiegend in der Absicht begangen wird, dem Verletzten Uebles vorzuwerfen (Art. 173 Ziff. 3 StGB).

 Wie oben unter Ziffer 1.3 ausgef�hrt war das vom Verein gegen Tierfabriken am 24. Dezember 1995 verteilte Flugblatt geeignet, das moralische Ansehen und damit die Geltung des Klosters Fahr als ehrbare Institution zu beeintr�chtigen. Damit hat aber das Flugblatt einen ehrverletzenden Charakter im Sinne der Art. 173 ff. StGB.

Es ist indessen auch aus dem Blickwinkel des strafrechtlichen Ehrenschutzes ein rechtswidriger Charakter des Flugblattes zu verneinen. Anhaltspunkte daf�r, dass das Flugblatt gravierendere unwahre, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen enth�lt, liegen nicht vor. Es erscheint sodann - aus der Optik eines Tierschutzes, der auch Nutztieren m�glichst viel Leid ersparen will - sachlich durchaus vertretbar, im Zusammenhang mit den sogenannten "Kuhtrainern" von einer "Misshandlung" der K�he mit "Elektro-Schocks" zu sprechen, die Kastenst�nde (Abferkelbuchten) als "Folterk�fige" zu bezeichnen und die Haltung von Schweinem�ttern in Kastenst�nden als Qu�lerei zu werten (in einem Flugblatt d�rfen durchaus auch provozierende, ja sogar schockierende Ausdr�cke verwendet werden; s. Mark E. Villiger, Handbuch der Europ�ischen Menschenrechtskonvention <EMRK>, Z�rich 1993, N 588). Damit kann aber nicht gesagt werden, dass das Flugblatt sachlich unvertretbare (gemischte) Werturteile enthalte. Auch nahm der Verein gegen Tierfabriken mit seiner Kampagne gegen das Kloster Fahr wie bereits oben ausgef�hrt durchaus �ffentliche Interessen wahr; Anhaltspunkte daf�r, dass es dem Verein gegen Tierfabriken in erster Linie darum gegangen sei, dem Kloster Fahr zu schaden, bestehen nicht. 

Hatte aber das vom Verein gegen Tierfabriken am 24. Dezember 1995 verteilte Flugblatt auch aus dem Blickwinkel des strafrechtlichen Ehrenschutzes keinen rechtswidrigen Charakter, so war der Rekursgegner 2 auch insoweit nicht berechtigt, die Rekurrentin an der (weiteren) Verteilung des Flugblattes zu hindern.

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