4. Mai 1998

An das Obergericht des Kt Z�rich
zH III. Strafkammer
Postfach
8023 Z�rich

Sehr geehrter Herr Pr�sident, sehr geehrte Damen und Herren,

in Sachen Heidi Keller, ..., Gesch�digte, Rekurrentin und Beschwerdef�hrerin, vertreten durch den Unterzeichneten, gegen

1. Bezirksanwaltschaft Z�rich, 8026 Z�rich
2. Beat Fries, c/o
Kloster Fahr, 8103 Unterengstringen, Angeschuldigter, Rekurs- und Beschwerdegegner, verteidigt durch RA Dr P Conrad, Pf 2079, 5400 Baden

betreffend Rekurs gegen die Einstellungsverf�gung der Bezirksanwaltschaft Z�rich vom 30.9.1996 in der Strafuntersuchung A-7/96/04633 (N�tigung), habe ich am 16. April 1998 beim Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes erneut kantonale Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, nachdem entgegen Ihrem ersten Rekursentscheid das rechtliche Geh�r erneut verweigert worden ist. Da der Einzelrichter die Fristansetzung zur Begr�ndung der Nichtigkeitsbschwerde verweigert hat und das Verfahren insgesamt schon mehr als zwei Jahre verschleppt wird - abwechselnd durch Nichtstun und voreilige Willk�rentscheide - reiche ich Ihnen hiermit die Begr�ndung der Beschwerde ein.

Antr�ge:
1. die Verf�gung des Einzelrichters vom 3. April 1998 sei aufzuheben und der Angeschuldigte sei wegen N�tigung schuldig zu sprechen,
2. evtl sei die Sache zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zur�ckzuweisen,
unter Kosten- und Entsch�digungsfolgen zuhanden des Angeschuldigten.

Begr�ndung:

1. Sachverhalt

Am 24. Dezember 1995 verteilte die heutige Beschwerdef�hrerin, zusammen mit einer Kollegin, beide in Engelskost�men, auf �ffentlichem Grund vor der Klosterkirche Fahr ein Flugblatt an Kirchenbesucher. Darin wurde das Leid der Nutztiere in den kl�sterlichen Stallungen, �ber das in fr�heren Verlautbarungen ausf�hrlich berichtet wurde und das auch �ber die Weihnachtszeit weiterging, in Erinnerung gerufen (inzwischen sind einige Verbesserungen ausgef�hrt worden, weshalb der VgT seine Kampagnen eingestellt hat). Das Flugblatt war - gem�ss Feststellung der Vorinstanz - "in einem h�flichen, sachlichen Ton verfasst" (Verf�gung vom 19.12.96, Seite 3; in der Sachverhaltsdarstellung der neuen Verf�gung vom 3.4.98 willk�rlich unterschlagen!).

Offenbar vom schlechten Gewissen getrieben, versuchte der Angeschuldigte Fries, Betriebsleiter des kl�sterlichen Landwirtschaftsbetriebes, das Verteilen der Flugbl�tter mit Gewalt zu verhindern.

2. Bisheriger Prozessverlauf

Am 21. M�rz 1996 erstattete die Gesch�digte Anzeige gegen den Angeschuldigten wegen N�tigung und T�tlichkeit. Mit Verf�gung vom 30. September 1996 stellte die Bezirksanwaltschaft Z�rich das Verfahren ein. Hiegegen legte die Gesch�digte Rekurs ein mit dem Antrag, die Verf�gung sei aufzuheben und die Bezirksanwaltschaft anzuweisen, die Untersuchung fortzuf�hren.

Mit Verf�gung vom 19. Dezember 1996 wies der Einzelrichter den Rekurs ab. In Gutheissung einer von der Gesch�digten hiegegen eingereichten kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde hob die III. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Z�rich mit Beschluss vom 27. Februar 1998 die Verf�gung vom 19. Dezember 1996 auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an den Einzelrichter zur�ck.

Die Vorinstanzen sahen zwar den Tatbestand der N�tigung als erf�llt an, bejahten aber den Rechtfertigungsgrund der Notwehr. Zur Begr�ndung f�hrte der Einzelrichter in seiner ersten Verf�gung vom 19.12.96 im Wesentlichen aus, im Flugblatt h�tte darauf hingewiesen werden m�ssen, dass die kritisierte kl�sterliche Tierhaltung den gesetzlichen, als ungen�gend betrachteten Mindestvorschriften gen�gten. Aufgrund eines Hinweises im Kassationsentscheid auf die Bundesgerichtspraxis, wonach in Flugbl�ttern keine ausgewogene Darstellung eines Sachverhaltes verlangt werden kann, liess der Einzelrichter diese Begr�ndung zur Rechtfertigung zur Freisprechung des Angeschuldigten fallen und erfand eine neu, noch haltlosere: das Flugblatt enthalte den an das Kloster gerichteten Vorwurf einer "Lust am Tierqu�len".

Das Verfahren dauert ohne Verschulden der Kl�gerin nun schon mehr als zwei Jahren, ohne dass ein korrektes erstinstanzliches Urteil vorliegen w�rde. (Menschenrechtswidrige Verschleppung, Art 6 EMRK) Ferner ist die Vorinstanz offensichtlich nicht willens, ein korrektes Verfahren zu f�hren. Aus diesen Gr�nden wird beantragt, dass das Obergericht in der Sache selbst entscheidet (StPO �433 Absatz 3) und den Angeschuldigten wegen N�tigung verurteilt. Nur eventualiter wir die R�ckweisung an die Vorinstanz beantragt, da dadurch die Verschleppung voraussehbar ihren Fortgang nehmen w�rde.

3. Kassationsgr�nde

F�r Literaturhinweise betreffend Nichtigkeitsgr�nden wird auf die erste Nichtigkeitsbeschwerde vom 19.3.97, Seite 3 verwiesen.

3.1 Verweigerung des rechtlichen Geh�rs
(Nichtigkeitsgrund gem�ss StPO �430 Ziffer 4)

Mit Beschluss vom 27. Februar 1998 hat das Obergericht eine Nichtigkeitsbeschwerde der Kl�gerin wegen Verletzung des rechtlichen Geh�rs gutgeheissen. Am 12. M�rz 1998 setzte hierauf der Einzelrichterin der Kl�gerin eine 20t�gige Frist ab Zustellung zur Stellungnahme an. Diese Verf�gung ging beim kl�gerischen Anwalt am Montag, den 16. M�rz 1998 ein. Der Ablauf der 20t�gigen Frist fiel auf Sonntag, den 5. April. Am darauffolgenden Montag, den 6. April, ging die Stellungnahme eingeschrieben auf die Post. Ohne die Vernehmlassungsfrist abzuwarten, verf�gte der Einzelrichter schon am 3. April 1998 die erneute Abweisung des Rekurses mit der unwahren Behauptung, innert Frist sei keine Stellungnahme eingegangen - zum zweiten mal in schludrigster, willk�rlicher Art und Weise! Er unterliess es, diesen Fehler zu korrigieren, als er beim (rechtzeitigen) Eingehen der Stellungnahme festgestellt haben musste, dass die Frist gewahrt war. Damit ist das rechtliche Geh�r erneut krass verletzt worden.

3.2 Verletzung des �ffentlichkeitsgebotes
(Nichtigkeitsgrund gem�ss StPO �430 Ziffer 4)

Im vorliegenden Verfahren, in welchem es im Kern um den Schutz der Meinungs�usserungsfreiheit der Gesch�digten geht, welche durch Nichtahndung einer gewaltsamen Behinderung verletzt worden ist, fand keine �ffentliche Verhandlung und keine �ffentliche Urteilsverk�ndung statt. Gem�ss Artikel 6 Absatz 1 EMRK hat "jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise �ffentlich und innerhalb angemessener Frist geh�rt wird."

3.3 Verletzung der Unschuldsvermutung
(Nichtigkeitsgrund gem�ss StPO �430 Ziffer 4)

In der angefochtenen Verf�gung wird der Gesch�digten ohne stichhaltigen Beweis und ohne dass ein entsprechendes rechtskr�ftiges Urteil vorliegen w�rde, ein strafbares (ehrverletzendes) Verhalten vorgeworfen (Seite 3 unten, Seite 4 oben, mit ausdr�cklichem Verweis auf das StGB).

Die angefochtene Verf�gung st�tzt sich bei der Bejahung der widerrechtlichen Ehrverletzung (und damit der Notwehrsituation) auf den im summarischen Verfahren ohne Beweisabnahme ergangenen Entscheid des Bezirksgerichtes Baden vom 21. August 1996, der dort zur Zeit Gegenstand eines h�ngigen Hauptverfahrens bildet, in welchem die Feststellungen im summarischen Entscheid, auf den sich vorliegend die angefochtene Verf�gung st�tzt, bestritten werden. Die angefochtene Verf�gung st�tzt einen definitven richterlichen Entscheid auf eine angefochtene Feststellung, ohne �berpr�fung in einem Beweisverfahren! Weil es dabei ausdr�cklich um den Vorwurf eines Straftatbestandes geht, wird dadurch in krasser Weise die Unschuldsvermutung gem�ss Artikel 6 Absatz 2 EMRK verletzt.

Im vorliegenden Verfahren hat der vorinstanzliche Richter �ber die Frage, die Gegenstand eines h�ngigen Pers�nlichkeitsschutzverfahrens in der gleichen Sache bildet, im Schnellverfahren ohne Abnahme der Beweise der Gesch�digten entschieden, indem er sich einseitig nur auf Beweismittel und Vorbringungen des Angeschuldigten st�tzte. Einseitigkeit bei der Sachverhaltsfeststellung unter Missachtung der �� 31 und 178 StPO stellt ebenfalls einen Kassationsgrund gem�ss �430 Ziffer 4 dar.

3.4 Verweigerung des Rechts auf den Beweis
(Nichtigkeitsgrund gem�ss StPO �430 Ziffer 4)

In Ehrverletzungsverfahren steht dem Angeschuldigten grunds�tzlich der Wahrheitsbeweis offen, sofern - was hier nicht aktuell ist - keine Ausschlussgr�nde vorliegen. Die Verteidigungsrechte, welche im Ehrverletzungsverfahren gew�hrt sind, m�ssen - ohne Willk�r - auch in einem Verfahren wie hier gew�hrt werden, wo adh�sionsweise auf Ehrverletzung erkannt wird. Das Recht auf den Beweis gilt aber auch ganz allgemein und ist durch Verfassung und EMRK garantiert. Trotz diesen klaren Rechtsgrunds�tzen hat sich die Vorinstanz in unhaltbarer Weise geweigert, den Wahrheitsbeweis der Gesch�digten bez�glich der Kritik an der damaligen kl�sterlichen Tierhaltung abzunehmen.

Die Behauptung, die Tierhaltung des Kloster habe "weitestgehendst" den gesetzlichen Vorschriften entsprochen, taucht erstmals im vorinstanzliche Entscheid auf. Diese Behauptung ist unwahr. Und was soll das �berhaupt genau heissen? Die gesetzlichen Mindestanforderungen sind vollst�ndig, nicht nur "weitestgehendst" einzuhalten. Tats�chlich aber lagen Verletzungen von Tierschutzvorschriften vor, welche sich f�r die Tiere katastrophal auswirkten. In der Eingabe vom 5.4.98 hat die Gesch�digte ausdr�cklich die Durchf�hrung eines Beweisverfahrens mit Fristansetzung zur Nennung der umfangreichen Beweismittel zu den im Flugblatt erhobenen Vorw�rfe beantragt, falls die Notwehrsituation nicht aus den anderen vorgebrachten Gr�nden verneint werde. Diese Beweisofferte blieb unbeachtet, was eine verfassungs- und EMRK-widrige Verletzung des Rechts auf den Beweis darstellt. Einige dieser Beweismittel wurden schon in der Nichtigkeitsbeschwerde vom 19.3.97 erw�hnt. Der neue vorinstanzliche Entscheid geht mit keinem Wort darauf ein.

3.5 Willk�rliche, aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung und willk�rliche Beweisw�rdigung
(Nichtigkeitsgrund gem�ss StPO �430 Ziffer 4 und 5)

In auff�lliger Weise unterscheiden sich die Sachverhaltsdarstellungen in den beiden vorinstanzlichen Entscheiden vom 19.12.96 (kassiert) und vom 3. 4.1998, und zwar dergestalt, dass in der zweiten Verf�gung - ohne dass sich neue tats�chliche Fakten ergeben h�tten - die Einseitigkeit zu Ungunsten der Gesch�digten verst�rkt worden ist. Das Bestreben - koste es was es wolle -, an der Einstellung der Strafuntersuchung gegen den Angeschuldigten festzuhalten, ist un�bersehbar. Das zeigt sich auch in dem schon unter Ziffer 1 erw�hnten willk�rlichen Ersatz einer im ersten Entscheid haltlosen Begr�ndung durch eine noch haltlosere (Angeblicher Vorwurf "Lust am Tierqu�len", siehe dazu im Detail weiter unten), das den unbedingten Willen erkennen l�sst, gegen die Gesch�digte zu entscheiden.

Schon erw�hnt wurde (Ziffer 1), dass die korrekte Feststellung, das Flugblatt sei "in einem h�flichen, sachlichen Ton verfasst", willk�rlich fallengelassen wurde, offenbar allein deshalb, weil dieser Umstand f�r die Gesch�digte und gegen den Angeschuldigten spricht.

Im Kassationsentscheid weist das Obergericht auf Seite 12 korrekt darauf hin, dass sich die Vorinstanz im Rahmen der Neubeurteilung auch mit dem Einwand zu befassen habe, ob zum Zeitpunkt des N�tigungs-Zwischenfalles in der kl�sterlichen Tierhaltung die gleichen Zust�nde herrschten, wie sie dem acht Monate sp�ter ergangenen Badener Entscheid zugrundelagen. Gleiches gelte auch f�r die �brigen gegen diesen Entscheid erhobenen Einwendungen. Der Einzelrichter hat dies bei seinen tats�chlichen Feststellungen im hier angefochtenen neuen Entscheid v�llig �bergangen, was sowohl eine willk�rliche Sachverhaltsfeststellung wie auch eine Verletzung der Begr�ndungspflicht darstellt - beides Kassationsgr�nde gem�ss StPO �430 Ziffer 4.

Weiter wird neu, erstmals im hier angefochtenen (zweiten) Entscheid behauptet, das Flugblatt enthalte den gegen das Kloster gerichteten Vorwurf einer "Lust auf Tierqu�lerei". Das ist eine an den Haaren herbeigezogene willk�rliche Sachverhaltsdarstellung, die sich angeblich aus der Zeichnung auf der R�ckseite des Flugblattes ergeben soll. Diese Zeichnung mit dem Titel "Zwei Weihnachten" nimmt keinerlei Bezug auf das Kloster Fahr, sondern stellt erkennbar den allgemeinen Gegensatz zwischen den Tieren an der Jesuskrippe und dem allt�glichen, auch �ber Weihnachten weitergehenden r�cksichtslosen (nicht sadistischen!) Umgang mit den Nutztieren dar, insbesondere auf dem Transport und im Schlachthof. Die Zeichnung wurde auf einer Weihnachtskarte mit grosser Auflage allgemein verbreitet und richtet sich nicht spezifisch gegen das Kloster Fahr. Auf dem Flugblatt bez�glich des Klosters wurde sie nur auf der R�ckseite wiedergegeben. F�r jederman erkennbar war die Vorderseites des Flugblattes das Prim�re. Der allgemeine, nicht spezifisch gegen das Kloster gerichtete Charakter dieser Zeichnung wird durch den Spruch von Manfred Kyber �ber den (allgemeinen) r�cksichtslosen, gleichg�ltigen Umgang mit den Tieren unterstrichen, welcher auch keinerlei konkreten Bezug zum Kloster hat. Gerade weil in dieser Zeichnung nicht eine tierqu�lerische Tierhaltung mit �hnlichkeit zur kl�sterlichen, sondern Transport und Schlachtung - mit dem das Kloster ja nichts direkt zu tun hat - beispielhaft gezeigt werden, ist es eine willk�rliche Feststellung, diese tierqu�lerischen Handlungen w�rden konkret dem Kloster vorgeworfen. Es ist willk�rlich, ja geradezu aktenwidrig, aus dieser Zeichnung die Behauptung einer "Lust am Tierqu�len" herauszulesen. Hief�r gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte. Ein Blick auf diese Zeichnung zeigt sofort, dass diese Behauptung haltlos ist und durch die Zeichnung in keiner weise gest�tzt wird. Es werden lediglich die �blichen gewerbsm�ssigen (nicht sadistischen!) Misshandlungen von Nutztieren gezeigt, so auch die unsachgem�sse Bet�ubung von Schweinen mit der Elektrozange im Schlachthof. Die Vorinstanz will diese Bet�ubungszange offenbar als reines Folterinstrument verstehen - absurder geht es wohl nicht mehr. Der VgT ist nicht daf�r bekannt, dass er derartige absurde Vorw�rfe erhebt. Jedenfalls war der Angeschuldigte, ein ausgebildeter Agronom, mit Sicherheit in der Lage, diese Zange als Bet�ubungszange und nicht als absurde Folterzange, zu erkennen, ebenso aber auch alle �brigen Empf�nger der Botschaft, welche die Kritik am Kloster schon lange aus den Medien und aus fr�heren Flubl�ttern kannten. Dazu kommt entscheidend, dass der Text auf der Vorderseite des Flugblattes keinerlei Hinweis auf eine sadistische Tierqu�lerei enth�lt, sondern klar auflistet, welche Vorw�rfe gegen das Kloster erhoben werden, n�mlich allesamt nicht artgerechte Haltungssysteme. Diese Aktenwidrigkeit - der nicht vorhandene Vorwurf einer "Lust am Tierqu�len" - setzt einen absoluten Kassationsgrund gem�ss StPO �430 Ziffer 5.

Eine "Lust am Tierqu�len" kann auch anderweitig unm�glich aus der Zeichnung herausgelesen werden: Zeigt die Zeichnung Tierqu�ler mit lustvollem Gesichtsausdruck? Die T�ter sind �berhaupt nicht dargestellt. Dargestellt sind lediglich die tagt�glichen Vorg�nge im Umgang mit Schlachttieren: r�cksichtsloses Verladen, gleichg�ltig-tierqu�lerischer Einsatz der Elektrobet�ubungszange, Aufh�ngen und Ausblutenlassen der nicht durchwegs vollst�ndig bet�ubten Tiere.

V�llig ausser Acht l�sst die Vorinstanz bei dieser voreingenommenen, absurden Interpretation der Zeichnung - das kann nicht genug betont werden - die Vorgeschichte des N�tigungs-Vorfalles, also massgebliche Gesichtspunkte, insbesondere, dass den Empf�ngern dieses Flugblattes die seit l�ngerem anhaltende �ffentliche Kritik an der kl�sterlichen Tierhaltung im Wesentlichen bekannt war (nicht artgerechte Tierhaltung). Von sadistischen Motiven sowie von tierqu�lerischem Transport und Schlachten der Tiere war dabei nie die Rede. Das Flugblatt diente nur dazu, an die fr�here Kritik und an das �ber Weihnachten weitergehende Leiden der Tiere und die Mitverantwortung des Klosters in Erinnerung zu rufen. Es ist willk�rlich, diese wesentlichen Umst�nde bei der Sachverhaltsfeststellung und Wahrheitsfindung v�llig ausser acht zu lassen und Schl�sse zu ziehen, welche sich unter korrekter W�rdigung der Umst�nde sofort als unhaltbar erweisen. Gem�ss BGer-Praxis ist es willk�rlich, wenn bei der Entscheidfindung nicht alle massgebenden Gesichtspunkte ber�cksichtigt werden.

Zu der nicht einmal vom Angeschuldigten selbst aufgestellten Behauptung, das Flugblatt enthalte den gegen das Kloster gerichteten Vorwurf einer "Lust am Tierqu�len", welche in der zweiten vorinstanzlichen Verf�gung erstmals auftaucht, konnte sich die Gesch�digte vorher nie �ussern, sodass auch diesbez�glich eine Verletzung des rechtlichen Geh�rs vorliegt.

Willk�rlich ist auch die Feststellung (Seite 5), die Tierhaltung habe damals "weitestgehendst der schweizerischen Tierschutzgesetzgebung" entsprochen. Dies wird ohne rechtsgen�genden Nachweis behauptet und ohne die von der Gesch�digten offerierten Beweise f�r klare Gesetzesverletzungen zu pr�fen. Das ist willk�rliche Sachverhaltsfestellung und willk�rliche Beweisw�rdigung.

Aktenwidrig wird im angefochtenen Entscheid (Seite 3) festgestellt, das Flugblatt werfe dem Kloster "Tierqu�lerei" vor. In Tat und Wahrheit enth�lt das Flugblatt, das sich auf eine sachliche Beschreibung der kl�sterlichen Tierhaltung ohne jede rechtliche W�rdigung beschr�nkt, diese Qualifizierung nicht.

Die Vorinstanz r�umt dem Angeschuldigten ein (Seite 5), er habe sich auf Putativnotwehr berufen k�nnen - auch dies eine neue Erkenntnis der Vorinstanz, nachdem sich die Begr�ndung des ersten Entscheides im Kassationsverfahren als haltlos erwiesen hat. Bis dahin wurde dieser Rechtfertigungsgrund von keiner Seite geltend gemacht. Dieser sp�te "geniale" Einfall des Einzelrichters macht sein Bestreben deutlich: "Abweisung des Rekurses um jeden Preis, auch wenn immer neue, noch absurdere Begr�ndungen notwendig sind." Die postulierte Putativnowehr beruht erneut auf einer v�llig einseitigen Betrachtungsweise unter Nichtbeachtung massgebender Gesichtspunkte: Der Angeschuldigte hatte n�mlich - das unterschl�gt die Vorinstanz willk�rlich - schon seit zwei Jahren - solange dauerte die �ffentliche tiersch�tzerische Kritik damals schon - vor diesem gewaltsamen Vorgehen gegen die Gesch�digte, ausgiebig Gelegenheit, sich mit der Kritik an der kl�sterlichen Tierhaltung auseinanderzusetzen und zu erkennen, dass diese nicht aus der Luft gegriffen war, sondern sich auf diverse Ver�ffentlichungen anerkannter Fachleute und sogar auf ein rechtskr�ftiges fr�heres Urteil bez�glich einer �hnlichen Kastenstandhaltung von Schweinen st�tzte. Das war auch der Vorinstanz bekannt, denn dies geht aus dem Badener Entscheid vom 21.8.96 hervor, auf den sich die Vorinstanz ja ausdr�cklich st�tzt.

F�r den Bestreitungsfall offeriert die Gesch�digte den rechtsgen�genden Beweis daf�r, dass dem Angeschuldigten seit langem bekannt war, dass die Kritik auf stichhaltigen Argumenten aus anerkannten Quellen beruhte und er deshalb nicht geltend machen kann, gutgl�ubig von seinem Recht �berzeugt gewesen zu sein. Diese Schutzbehauptung hat bisher nichteinmal der anwaltlich vertretene Angeschuldigte selbst vorgebracht! Es handelt sich um eine neue Erfindung der Vorinstanz, die erstmals in dem hier angefochtenen zweiten Entscheid vorgebracht wird und zu welcher sich die Gesch�digte vorher nicht hatte �ussern k�nnen, weshalb sie auch keinen Anlass hatte, hierzu schon fr�her Beweise zu offerieren.

Der Angeschuldigte wusste jedenfalls, dass es objektiv berechtigte Kritik an der kl�sterlichen Tierhaltung gab, auch wenn er diese subjektiv ablehnte bzw f�r nicht berechtigt hielt. Wird unter solchen Umst�nden Putativnotwehr zugestanden, dann wird das geltende Recht auf den Kopf gestellt, denn jeder Angreifer ist in der Regel subjektiv �berzeugt, im Recht zu sein. Es ist nicht so, wie die Vorinstanz es darstellt, dass der Angeschuldigte quasi aufgrund des largen amtlichen Tierschutzvollzuges, welcher immer alles als "gesetzeskonform" erkl�rt, gutgl�ubig der Auffassung sein konnte, die kl�sterliche Tierhaltung sei tiergerecht. Es muss ihm als Agronom bekannt gewesen sein, dass die Tierschutzverordnung des Bundesrates ausdr�cklich (so die offizielle Begr�ndung zur letzten Revision der Tierschutzverordnung) aus wirtschaftlichen Gr�nden verschiedene tierqu�lerische Haltungsformen weiterhin erlaubt, obwohl sie gem�ss Tierschutzgesetz eigentlich verboten werden m�ssten, da sie objektiv und wissenschaftlich belegt tierqu�lerisch sind. Im �brigen ist die vom Kloster Fahr praktizierte tierqu�lerische Kastenstandhaltung f�r Schweine gem�ss Tierschutzverordnung nur noch w�hrend einer �bergangsfrist erlaubt, da sich die Fachleute - nicht nur die Tierschutzorganisationen! - international einig sind, dass diese Haltungsform tierqu�lerisch ist. Auch hief�r offerierten und offerieren wir den rechtsgen�genden Beweis.

Die Wahl gewaltsamer Selbsthilfe war im �brigen auch deshalb unangebracht, weil dem Angeschuldigten wirksame rechtliche M�glichkeiten zur Verf�gung standen, die er anstelle von Gewalt h�tte benutzen k�nnen:

1. Der summarische Entscheid des Bezirksgerichtes Baden vom 21. August 1996 im sogenannten "Maulkorb-Prozess", auf welchen sich die angefochtene vorinstanzliche Verf�gung st�tzt, wurde rund acht Monate nach dem hier zur Diskussion stehenden Vorfall (N�tigung) erlassen. Der Angeschuldigte kann sich nicht auf diese vorsorgliche Massnahme (Kritikverbot am Kloster Fahr) berufen, das damals noch gar nicht bestand. Dagegen zeigt dieses vorsorgliche richterliche Verbot gerade, dass dem Kloster Fahr legale, rasche Mittel zur Verf�gung standen, um das vermeintliche Recht durchzusetzen. Von diesen M�glichkeiten h�tte schon viel fr�her Gebrauch gemacht werden k�nnen! Es kann nicht angehen, zu gewaltsamer Selbsthilfe zu greifen, anstatt wirksame rechtliche M�glichkeiten zu nutzen. Wenn ein solches Vorgehen gesch�tzt w�rde, bedeutete das Gutheissung inakzeptabler Wildwestmethoden.

2. Wenn die Wildwestmethode des Angeklagten unter den gegebenen Umst�nden gesch�tzt w�rden, dann f�hrte das zum prozess�konomischen Unsinn, dass im vorliegenden Strafprozess ein �hnliches, aufwendiges Beweisverfahren durchzuf�hren w�re, wie im konnexen h�ngigen Pers�nlichkeitsschutz-Verfahren vor der Aargauer Justiz. In jenem Verfahren ist eben erst das erstinstanzliche Urteil ergangen, welches angefochten wurde. Das Vorgehen des Angeschuldigten war auch deshalb unangebracht, weil er damit unsinnige, doppelspurige Gerichtsverfahren provozierte. Die Rechtsordnung verlangt, dass der B�rger nicht sofort zu gewaltsamer Selbsthilfe greift, solange ihm rasche und wirksame rechtliche M�glichkeiten zur Verf�gung stehen. Der vom Angeschuldigten zu den Akten gegebene Entscheid beweist, dass ihm solche M�glichkeiten zur Verf�gung standen. Dass solche nicht fr�her ergriffen wurden, hat nicht die Gesch�digte zu verantworten. Der Angeschuldigte war schon lange mir der Kritik des VgT konfrontiert. Am fraglichen Weihnachtsabend, als der Angeschuldigte zur Gewalt griff, wurde lediglich die schon fr�her immer wieder erhobene Kritik zusammengefasst und in Erinnerung gerufen. Es bestand deshalb keine Ausnahmesituation, welche vom Angeschuldigten schnelles Handeln und Selbsthilfe verlangt h�tte, wie die Vorinstanz dies willk�rlich, unter Missachtung der ihr aus dem Badener Entscheid bekannten Umst�nde, behauptet.

3.6 Verletzung der Meinungs�usserungsfreiheit
(Nichtigkeitsgrund gem�ss StPO �430 Ziffer 6)

Gem�ss Artikel 1 der Europ�ischen Menschenrechtskonvention haben die Unterzeichnerstaaten ihren B�rgern die in der Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zuzusichern. Dazu geh�rt auch die Meinungs�usserungsfreiheit. Ein Vertragsstaat verletzt seine Konventionsverpflichtungen, wenn er gewaltt�tige private Behinderungen der friedlichen Aus�bung der Meinungs�usserungsfreiheit gew�hren l�sst, indem er die gesetzlich vorgesehenen Sanktionen gegen die T�ter nicht anwendet. In vorliegendem Verfahren geht es wesentlich um die Verletzung der Meinungs�usserungsfreiheit. Der Fall ist bereits vor dem EGMR h�ngig und wird dort pendent gehalten bis zum Abschluss des nationalen Verfahrens.

In willk�rlicher Einseitigkeit hat die Vorinstanz alles zusammengetragen bzw an den Haaren herbeigezogen, was sich zugunsten des Angeschuldigten vorbringen l�sst, mit keinem Wort jedoch die verletzte Meinungs�usserungsfreiheit der Gesch�digten erwogen - von einer bei Verletzung von Grundrechten notwendigen Interessenabw�gung keine Spur! Insbesondere wurde ausser acht gelassen, dass gem�ss der Rechtsprechung des Europ�ischen Gerichtshofes die Meinungs�usserungsfreiheit auch pointierte, provokative Formulierungen umfasst:

Villiger, Handbuch der EMRK, Schulthessverlag 1993, Seite 345 ff:

Zusammen mit dem Recht auf Leben und dem Verbot der Folter steht das Recht auf freie Meinungs�usserung hierarchisch an der Spitze des Grundrechtssystems... Gesch�tzt werden nicht nur einzelne oder bestimmte Informationen. Art 10 umfasst auch Inhalte, die "offend, shock or disturb".

Vor dem Hintergrund dieser Praxis des EGMR muss es erlaubt sein, �ffentlich zu kritisieren, dass ein Kloster unter anderem

- tierschutzrechtliche Minimalvorschriften (Stroheinstreu in den Abferkelbuchten im Schweinestall) missachtet und

- f�r verbotene, tierqu�lerische Haltungsformen (Kastenstandhaltung von Mutterschweinen) aus rein wirtschaftlichen Gr�nden gew�hrte �bergangsfristen r�cksichtslos gegen�ber den Tieren ausn�tzt.

Zu diesen grundlegenden Aspekten �ussert sich der vorinstanzliche Entscheid �berhaupt nicht, was die Begr�ndungspflicht verletzt (Nichtigkeitsgrund gem�ss StPO �430 Ziffer 4).

Es w�re stossend, wenn ein junger Bauer eine sich anst�ndig benehmende Frau in den Sechziger-Jahren t�tlich angreifen d�rfte, nur weil ihm ein Flugblatt, in dem er nicht einmal namentlich erw�hnt ist, nicht passt.

Mit freundlichen Gr�ssen

Dr Erwin Kessler, Pr�sident VgT

 

Abbildung auf der R�ckseite des fraglichen Flugblattes:


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