28. April 2000

Zensur von Buswerbung durch die Stadt Luzern -
VgT geht an das Verwaltungsgericht

Motto: Politfilz geht vor Recht

> Vorgeschichte

 

An das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
Obergrundstr 46
6002 Luzern

Hiermit erhebe ich namens des Beschwerdef�hrers Hans Palmers, Luzern,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde

gegen den

Entscheid des Baudepartementes des Kantons Luzern vom 18. April 2000

betreffend

Bus-Werbung mit dem Text
"Im Kanton Luzern leben mehr Schweine als Menschen - warum sehen wir sie nie?"

mit den Antr�gen:

1. Der angefochtene Entscheid sei aufzuheben;

2. a) die Stadt Luzern sei anzuweisen, die Bus-Werbung mit dem Text "Im Kanton Luzern leben mehr Schweine als Menschen - warum sehen wir sie nie?" grunds�tzlich zuzulassen;

b) evtl sei festzustellen, dass die Stadt Luzern mit der Verweigerung dieser Ganzbuswerbung die Meinungs�usserungsfreiheit verletzt hat;

3. �ber die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei �ffentlich zu verhandeln;

unter Kosten- und Entsch�digungsfolge.

 

Begr�ndung:

1. Sachverhalt

Mit Schreiben vom 21. Januar 1999 an den Beschwerdef�hrer (BF) lehnten die Verkehrsbetriebe der Stadt Luzern nach R�cksprache mit dem zust�ndigen Stadtrat Baumann, eine Ganzbus-Werbung mit der Begr�ndung ab, der Werbetext "Im Kanton Luzern leben mehr Schweine als Menschen - warum sehen wir sie nie?" k�nnte gewisse Leute - sprich: die Agro- und Fleischlobby! - st�ren und sei deshalb politisch "heikel". Der Text k�nne als "anst�ssig" oder als "Beleidigung" aufgefasst werden. Dagegen erhob der BF Verwaltungsbeschwerde beim Stadtrat.

Mit Entscheid vom 11. August 1999 wies der Stadtrat die Beschwerde ab, im Wesentlichen mit folgender Begr�ndung:

1. Die Abweisung der fraglichen Werbung stelle kein hoheitliches Handeln dar, weshalb der BF nicht zur Verwaltungsbeschwerde befugt sei.

2. Die VBL seien der Ansicht, beim Werbetext "Im Kanton Luzern leben mehr Schweine als Menschen - warum sehen wir sie nie?" handle es sich "um eine Anstoss erregende Werbung, welche eine heftige Gegnerschaft aus Landwirtschaftskreisen und Metzgereigewerbe mobilisieren k�nnte"; die Ablehnung sei deshalb "rechtsgleich und nicht willk�rlich" erfolgt.

Gegen diesen Entscheid erhob der BF am 19. August 1999 Verwaltungsbeschwerde beim Volkswirtschaftsdepartementes des Kantons Luzern. Verwaltungsintern wurde die Beschwerde dem Baudepartement zur Erledigung �berwiesen.

Am 18. April 2000 (eingegangen am 26. April 2000) wies das Baudepartement, vertreten durch Regierungsrat Max Pfister, die Beschwerde ab, im Wesentlichen mit der Begr�ndung, aus der in der Verfassung und in der Europ�ischen Menschenrechtskonvention garantierten Meinungs�usserungsfreiheit ergebe sich kein "Anspruch auf eine Meinungs�usserung mittels Ganzwerbebussen". 

 

2. Beschwerdegr�nde

Die Verkehrsbetriebe der Stadt Luzern (VBL) sind kein Privatbetrieb, sondern ein staatlicher Monopolbetrieb eines politischen Gemeinwesens. Wie die Vorinstanz einr�umt, sind die Busse �ffentliche Sachen. Die Aus�bung von inhaltlicher Zensur bei der Annahme oder Ablehnung von Werbeaufschriften durch die Stadt stellt deshalb kein rein privatrechtliches Handeln dar. Zudem ist die ausge�bte Zensur offensichtlich eine politische, nicht eine privatrechtlich-marktwirtschaftlich motivierte: die Stadt f�rchtet, wie aus der Entscheidbegr�ndung (Seite 3 unten) unzweideutig hervorgeht, politische Pressionen der im Kanton Luzern m�chtigen Agro- und Fleischlobby.

Das Schweizervolk hat vor �ber 20 Jahren mit �berw�ltigender Mehrheit einem eidgen�ssischen Tierschutzgesetz zugestimmt, dessen Aufgabe es ist, das Wohlbefinden insbesondere auch der Nutztiere zu sch�tzen (Artikel 1 TSchG). Trotzdem herrschen - insbesondere im Kanton Luzern - bis heute in etwa 9 von 10 Schweinem�stereien Zust�nde, die f�r die Tiere als katastrophal bezeichnet werden m�ssen. Dieser systematische Nichtvollzug des demokratisch zustandegekommenen Tierschutzgesetzes �ber Jahrzehnte stellt nicht nur ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Umgang mit empfindsamen Lebewesen, sondern auch eine Verachtung der Demokratie und des Rechtsstaates durch die Regierenden dar. Es ist kaum denkbar, gegen derartige Missst�nde im Staat friedlicher und ordentlicher zu protestieren als mit dem sanften Hinweis "Im Kanton Luzern leben mehr Schweine als Menschen - warum sehen wir sie nie?"

Eine wesentliche Funktion des Grundrechts auf freie Meinungs�usserung besteh darin, dass es denjenigen eine Waffe bietet, denen andere Machtmittel zur Verteidigung rechtlich anerkannter Interessen nicht zur Verf�gung stehen. Tierschutz ist in der Schweiz ein nationales Anliegen mit Verfassungsrang. Mehr als verbale Proteste stehen indessen Tiersch�tzern nicht zur Verf�gung, da den Tierschutzorganisationen das Klage- und Beschwerderecht in Tierschutz- und Konsumentenschutzfragen bis heute verweigert wird. Um so schwerer wiegt von staatlichen Beh�rden ausge�bte politische Zensur zugunsten der im Kanton Luzern m�chtigen Schweine-Lobby. Dass eine Meinungs�usserung andere st�ren k�nnte, gen�gt gem�ss Praxis des Europ�ischen Gerichtshofes f�r Menschenrechte nicht, um in das Grundrecht der Meinungs�usserungsfreiheit einzugreifen, da eine freie, auch kontroverse und provokative Meinungs�usserung eine wesentliche Grundlage jeder freiheitlich-demokratischen Gesellschaft darstellt.

Immer mehr Menschen emp�ren sich �ber die brutale Ausbeutung der Nutztiere und f�hlen sich von Werbung f�r Fleisch und andere Tierqu�lerprodukte sehr gest�rt, ohne dass Fleischwerbung in der Stadt Luzern deshalb verboten w�rde, ebenfalls nicht das f�r Tierfreunde anst�ssige �ffentliche Tragen von Pelzen von Tieren, die entweder mit barbarischen Fussfallen (Tellereisen) gefangen oder in KZ-artigen Pelztierzuchten gez�chtet worden sind (beides in der Schweiz aus Tierschutzgr�nden verboten! Importe hingegen sind erlaubt.). Tierqu�lerei gilt allgemein zu Recht als unmoralisch und verwerflich. Das �ffentliche Tragen von Tierqu�ler-Pelzen und das �ffentliche Werben f�r Tierqu�ler-Fleisch wird deshalb von vielen (tierliebenden) Menschen als �rgernis empfunden, ohne das die Luzerner Beh�rden auch nur daran denken w�rden, etwas dagegen zu unternehmen oder Pelz- und Fleischwerbungsplakate auf �ffentlichem Grund und in oder auf Bussen zu untersagen. In willk�rlicher Weise bezeichnen die gleichen Beh�rde dann aber einen keineswegs derb, aggressiv oder provokativ formulierten tiersch�tzerischen Werbetext als "anst�ssig", um ihn mit dieser Begr�ndung zu unterbinden. Dass die Beurteilung "anst�ssig" nur vorgeschoben ist, um die politische Willk�r zu verdecken, zeigt sich daran, dass der fragliche Werbetext objektiv eindeutig nicht anst�ssig ist und der Entscheid (Seite 3 unten) ja auch klar zum Ausdruck bringt, dass es bei diesem Werbeverbot letztlich um politische Motive geht, n�mlich die Angst vor der im Kanton Luzern m�chtigen Agro- und Fleischlobby.

Der Einwand, eine Ganzbusswerbung werde vom Publikum direkt mit den Verkehrsbetrieben in Zusammenhang gebracht, vermag nicht im geringsten zu �berzeugen: Die �ffentlichkeit ist es sich gewohnt, dass �berall die unterschiedlichste Werbung anzutreffen ist, und niemandem f�llt es ein, den Werbeinhalt mit dem Werbetr�ger in Verbindung zu bringen. So identifiziert wohl kein vern�nftiger Mensch weder die Fernsehwerbespots mit der SRG oder den Inhalt von Plakaten in Bahnh�fen mit der SBB, noch die St�dtischen Verkehrsbetriebe mit dem Inhalt der Neuen Luzerner Zeitung, nur weil letztere Ganzbuswerbung macht; es wir auch kein vern�nftiger Mensch aus einer Ganzbusswerbung irgend eine Beziehung zwischen der Elvia-Versicherung und den st�dtischen Verkehrsbetrieben ableiten. Warum dies bei tiersch�tzerischer Ganzbusswerbung anders sein sollte, ist unerfindlich. Diesen unangebrachten Bedenken h�tte jedenfalls einfach Rechnung getragen werden k�nnen, indem der Name des Beschwerdef�hrers oder seiner Tierschutzorganisation beigef�gt worden w�re. Eingriffe in die Meinungs�usserungsfreiheit sind gem�ss st�ndiger Rechtsprechung des Europ�ischen Gerichtshofes f�r Menschenrechte so gering wie m�glich zu halten. Vor pauschalen Verboten haben die Beh�rden deshalb immer zu pr�fen, ob der angestrebte Zweck nicht auch mit Auflagen erreicht werden k�nnte. Die Stadt Luzern hat keinerlei Versuch unternommen, mit solchen Auflagen - zB Anschrift des Namens des Werbeverantwortlichen - einer allf�lligen Identifizierung mit den st�dtischen Verkehrsbetrieben vorzubeugen. Diese unangebrachten Bedenken wurden im �brigen erst im Laufe des Verwaltungsbeschwerdeverfahrens vorgebracht bzw vorgeschoben, w�hrend in der Ablehnung des Werbeauftrages vom 21.1.99 nichts derartiges zu finden ist. Es wurden lediglich Bedenken ge�ussert, das Publikum k�nnte diese Werbung als "anst�ssig" empfinden.

Die Meinungs�usserungsfreiheit auf �ffentlichem Grund - und analog auf �ffentlichen Sachen - darf nur aus zwingenden sachlichen Gr�nden eingeschr�nkt werden. Dies erst macht die Bedeutung von Grundrechten aus. Grundrechte sind dazu da, die B�rger vor beliebigen staatlichen Eingriffen ohne sachliche Rechtfertigung wie im vorliegenden Fall zu sch�tzen. Wenn auf �ffentlichen Sachen Werbefl�chen zur Verf�gung gestellt werden, ist es mit der Meinungs�usserungsfreiheit (EMRK 10) und dem Diskriminierungsverbot (EMRK 14) unvereinbar, wenn der Staat nach Belieben, ohne zwingende sachliche Gr�nde, aus politischen Motiven, gewissen Interessengruppen den Zugang zu diesen Werbefl�chen verwehrt.

Aus den dargelegten Gr�nden verletzen der Entscheid der Stadt Luzern sowie der angefochtene Entscheid des Baudepartementes in diskriminierender Weise die Meinungs�usserungsfreiheit und sind deshalb aufzuheben.  

Mit freundlichen Gr�ssen
Dr Erwin Kessler


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