17. Oktober 2008

Fehlurteil des Bundesgerichtes gegen den "Kassensturz" betreffend Einsatz einer versteckten Kamera

von Dr Erwin Kessler, Präsident VgT.ch

Nachtrag vom 12. Dezember 2008
In einer soeben in der juristischen Zeitschrift medialex erschienen Kritik des renommierten Rechtsprofessors Franz Riklin an diesem Urteil, wird ebenfalls das "grosse Unverständnis (des Bundesgerichts) über das journalistische Handwerk" hingewiesen. Diese kompetente, klare und unerschrocken scharfe Kritik von Prof Riklin stellt eine brilliante Urteilskritik dar, mit Seltenheitswert in der sonst eher faden und angepassten juristischen Literatur (medialex 4/08 vom 8. Dezember 2008).

Der Kassensturz hat üble Machenschaften heimlich gefilmt. Das Bundesgericht lehnt die journalistischen Rechtfertigungsgründe im Urteil 6B_225/2008 vom 7. Oktober 2008, ab mit der Behauptung, versteckte Aufnahmen seien zu Behandlung des Themas nicht nötig gewesen.

Die Bundesrichter haben offensichtlich keine Ahnung von Journalismus.

Das Argument, Journalisten sei nicht erlaubt, was selbst Strafuntersuchungsbehörden in der Regel nicht erlaubt sei, geht fehl. Die Arbeitsweise von Journalisten und von Strafverfolgungsbehörden ist nicht vergleichbar und verfolgen nicht das gleiche Ziel.

Im Journalismus geht es wesentlich darum, einen Sachverhalt nicht nur abstrakt-trocken zu rapportieren, sondern anschaulich und für die Zuschauer nachvollziehbar und glaubhaft zu machen.

Im übrigen haben Feststellungen von Journalisten nicht die gleiche Rechtskraft wie amtliche Festsstellungen von Untersuchungsbeamten. Zeugenaussagen, und mehr sind Feststellungen von Journalisten nicht, haben im Gegenteil nur beschränkte Beweiskraft und können realtiv leicht durch Schutzbehauptungen aufgeweicht werden. Ein ganz anderes Gewicht haben amtlich protokollierte Sachverhaltsfeststellungen, weshalb es in der Regel nicht nötig, solche durch versteckte Aufnahmen zu ergänzen.

Mit der Behauptung, versteckte Aufnahmen seien "nicht nötig" gewesen, macht es sich das Bundesgericht zu einfach, und es ist dem Bundesgericht dringend zu empfehlen, in solchen Fällen  Gutachten von Pressesachverständigen, zB des Presserates, einzuholen, anstatt einfach so weltfremd zu urteilen. Aber die alten Herren in Lausanne sind derart von ihrer Unfehlbarkeit und Allwissenheit  überzeugt, das sie es stets als völlig genügend erachten, einfach ihre Meinungen und Stimmungen zum verbindlichen Recht zu erheben.  Wie sagte doch schon Berthold Brecht so treffend über solche Machtmenschen: "Da sind die Unbedenklichen, die niemals zweifeln, ihre Verdauung ist glänzend, ihre Urteile unfehlbar, sie glauben nicht den Fakten, sie glauben nur sich. Im Notfall müssen die Fakten dran glauben... "

Verantwortlich für dieses einstimmig gefällte Fehlurteil sind die Bundesrichter Schneider, Ferrari, Favre.

Es ist sehr zu hoffen, dass der EGMR dieses Urteil korrigiert. Dass das wegen der hoffnungslosen Überlastung des EGMR nach ständiger Praxis frühestens erst in 5 Jahren erfolgen kann, macht dieses Fehlurteil des BGer nur umso schlimmer.

Erwin Kessler, VgT.ch


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