VN 99-4

Editorial von Erwin Kessler

Verbrechen an Tieren

Meine «Wortwahl» heizt immer wieder die Gemüter an. Das ist beabsichtigt. Denn wer sich daran stösst, dass ich Begriffe wie «Tier-KZ» und «Holocaust an den Nutztieren» verwende, der ist ethisch so rückständig, dass er allen Ernstes behaupten kann, Massen-Verbrechen an Tieren seien etwas ganz anderes als Verbrechen an Menschen. Tatsächlich gelten die üblichen Verbrechen an den Nutztieren in unserem Unrechts-Staat formell nur als Übertretungen, vergleichbar mit einer Parksünde - d a s  finde ich ungeheuerlich, d a s akzeptiere ich nicht. Ich finde es nicht nur zulässig, sondern notwendig, darauf hinzuweisen, dass heute ein neuer Holocaust abläuft, diesmal an den Tieren.

Die scheinheilige «Geschichtsaufarbeitung» des Zweiten Weltkrieges durch Leute, die nichts tun gegen den heutigen Holocaust an den Nutztieren, finde ich widerlich. Mit meiner bewusst provokativen Wortwahl bringe ich die gegenwärtige Tierschutzdiskussion am schnellsten an den notwendigen Punkt und entlarve süffisante Lippenbekenntnisse zum Tierschutz, wobei dann in der Praxis wieder jede Grausamkeit erlaubt ist, da es ja «nur Tiere» sind. Die «Kronen der Schöpfung», die immer noch nicht begriffen haben, dass höhere Säugetiere genau so leidensfähig sind wie wir, erkennt man rasch an ihrer charakteristischen Phrase «Ich bin auch für Tierschutz, aber ...». Diese Aber-Tierschützer, die mir im Zusammenhang mit meiner Schächt-Kritik gerne Rassismus vorwerfen, sind selbst die allergrössten Rassisten: Ein Verbrechen an einem Lebewesen ist nach ihrer egoistischen Weltanschauung nur ein Verbrechen, wenn es an Zweibeinern verübt wird. Verbrechen an Vierbeinern sind nur Übertretungen, und für Übertretungen sind Begriffe wie KZ und Holocaust natürlich verfehlt, meinen diese Aber-Tierfreunde.

Auf den Vergleich der heutigen Untaten an den Tieren mit Nazi-Greueln werde ich erst verzichten, wenn mir jemand einen schlimmeren Vergleich weiss!


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