Warnung vor den behördlichen Verharmlosungen des BSE-Risikos

von Erwin Kessler


Schon 1995 war in der deutschen Ärzte-Zeitung (16.11.1995) zu lesen: «Wissenschaftler bekennen: Wir essen seit Jahren kein Rindfleisch mehr!» Doch die Schweizer Behörden sahen nach eigenen Worten immer wieder «keinen Handlungsbedarf». Der Direktor des Bundesamtes für Veterinärwesen, Dr Kihm, fährt mit seiner unverantwortlichen Verharmlosung des BSE-Risikos bis heute fort. Wenn die Fortschritte der Wissenschaft seine Argumente widerlegen, erfindet er jeweils neue. So verneinte er früher eine Übertragungsmöglichkeit auf den Menschen und behauptet nun - seit das Gegenteil erwiesen ist -, ein Risiko habe nur früher, vor dem Verbot der Tiermehlfütterung bestanden. Seit bekannt geworden ist, dass auch nach diesem Verbot Rinder an BSE erkrankt sind, "garantiert" er die Unbedenklichkeit mit der angeblich strengen Fleischschau im Schlachthof:In einem Interview (Aargauer Zeitung vom 27.11.96) behauptete er: «In der Schweiz kommt nur unbedenkliches Fleisch von gesunden Tieren auf den Markt Alles Fleisch von BSE-Tieren wird verbrannt.» Tatsache ist hingegen, dass es bis heute keine Nachweismethode gibt, um BSE-infizierte Tiere vor dem akuten Ausbruch der Krankheit festzustellen. Bis dahin können aber Tiere während Jahren unerkannt infiziert sein; solche latent infektiösen Tiere können im Schlachthof gar nicht erkannt und ausgeschieden werden.

Mit der gleichen haltlosen Begründung - es komme keine Milch von BSE-infizierten Kühen auf den Markt - hatte Kihm kürzlich auch die Milch für unbedenklich erklärt (Blick, 13.8.96). Schon früher hatte Kihm immer wieder mit ähnlich unhaltbaren Begründungen versucht, die Konsumenten zu beruhigen. Letztes Jahr behauptete er zB (Thurgauer Volkszeitung vom 14.7.1995): "Kalbsinnereien können weiter verkauft werden. Weil Kälber mit Milchmast aufgezogen und mit rund vier Monaten geschlachtet werden, können sie nicht mit infiziertem Tiermehl in Berührung kommen." Verschwiegene Tatsache ist jedoch: Kälber werden meistens nicht mit Kuhmilch, sondern mit sogenanntem Milchaustauscher gemästet. Das ist eine künstliche Mixtur aus Milchpulver, Fischmehl, Chemikalien (zB Fleischaufheller), antibiotischen "Leistungsförderern" und Schlachtfetten, also Schlachtabfällen von toten, möglicherweise infizierten Artgenossen. Zudem ist bekannt, dass auch eine direkte Ansteckung vom Muttertier auf das Kalb möglich ist. Die britischen und die deutschen Regierungen betrachteten deshalb schon damals Kälberinnereien als bedenklich und sperrten diese für den Konsum.

Wenn der oberste Veterinärbeamte der Nation dauernd versucht, die Konsumenten für dumm zu verkaufen, mahnt das zur Vorsicht. Nur wer etwas zu verstecken hat, braucht zu lügen! Dass das Bundesamt für Veterinärwesen traditionell nicht die Interessen der Öffentlichkeit, sondern der Agro- und Fleischmafia wahrnimmt, ist selbst für Laien leicht daran zu erkennen, dass dieses Amt seit Jahren den Vollzug des Tierschutzgesetzes torpediert, indem es gegen den Nichtvollzug in vielen Kantonen nie mit seinen aufsichtsrechtlichen Mitteln einschreitet und auch nie von der Amtsbeschwerde Gebrauch macht. Im Gegenteil: immer wieder hat sich dieses Amt in Gutachten und Stellung-nahmen gegen den Tierschutz und zugunsten der Agro-Mafia und untätiger kantonaler Veterinär-Kollegen geäussert und sich gegenüber der Tierquäler-Lobby als total willfährig erwiesen.In der Schweiz erfolgt die Bestechung von Beamten hauptsächlich dadurch, dass ihnen lukrative Chefposten zugehalten werden, für die sie sich dankbar und gehorsam zu erweisen haben.

Da kann auch nicht überraschen, was der KTip vom 4.10.96 feststellte: Die Schweizer Behörden hätten das BSE-Debakel weitgehend verhindern können.Das zeigt die Chronologie der Seuchenausbreitung. Den finanziellen Schaden berappen wieder einmal die Steuerzahler.


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