Robin Hood
Kämpfer für Gerechtigkeit und Beschützer der Rechtlosen


Im ausgehenden Mittelalter lebte in der englischen Grafschaft Yorkshire ein Mann namens Robin Hood. Von den Machthabenden geächtet, kämpfte er gegen die Unterdrückung der Rechtlosen. Wer realisiert, dass heute die Tiere die ausgebeuteten und unterdrückten Rechtlosen sind, wird eine erschreckende Analogie zur heutigen Zeit erkennen.

Zweite Folge:
Robin Hood wird Anführer der Geächteten und beginnt den Kampf gegen grausame Adlige und fette Kirchenleute


Was bisher geschah:
Während einer längeren Abwesenheit von Robin Hood von seinem Gehöft "Goddethorne" überfielen Meuchelmörder des Abtes sein Gut, nahmen seine Knechte, welche den Hof verteidigten, gefangen und liessen sie auspeitschen. Robins treuer Knecht Mitch warnt den Heimkehrenden: "Ihr wart zu lange fort, Master Robin. Guy von Gisborne hat falsche Anklage gegen Euch erhoben. Er hat unter Eid ausgesagt, daß Ihr des Königs Wild gejagt habt. Gestern haben sie Euch in Acht getan und einen Preis auf Euren Kopf gesetzt, - am Kreuz auf dem Marktplatz zu Pomfret! Und heute morgen kamen die Meuchelmörder des Abtes, angeführt von Guy von Gisborne selbst, um Goddethorne in Besitz zu nehmen. Dort sind sie jetzt und warten auf Eure Rückkehr."

In der Dunkelheit konnte er gerade noch den Pfahl erkennen, den sie für das Auspeitschen neben dem Tor aufgestellt hatten, die Stricke lagen noch daneben - einen der Bewaffneten sah er, der an der Scheunentür lehnte - und Trusty. Trusty lag im Lichtschein eines der Fenster, mit unnatürlich verdrehtem Kopf in der dunklen Lache seines Blutes, das im Boden versickerte.

Lange Zeit verharrte Robin still und unbeweglich und schaute auf den Leichnam seines treuen Freundes. Es schien ihm, als sei der Tod dieses seines Hundes ein Sinnbild für all die Ungerechtigkeit und Unterdrückung, die im Lande herrschte. Und der Zorn stieg auf in ihm wie der Pfeil, der in die Luft steigt. Hinunterspringen wollte er in den Hof und diese Teufel in seinem Haus zum Kampf herausfordern. Jeden einzelnen von ihnen wollte er erschlagen, so wie sie seinen Hund erschlagen hatten. Aber gleichzeitig wußte er auch, daß das jetzt nicht möglich war. Erst mußte er seine Knechte befreien und vor dem Schicksal erretten, das ihrer harrte. Die Leute des Abtes mußten noch warten, bis der Tag der Abrechnung für sie kam. Und während er sich wieder in den Hintergrund des Heubodens zurückzog, schwor er tief in seinem Herzen einen heiligen Eid, daß dieser Tag einmal kommen würde; daß er von nun an kämpfen wollte gegen sie und ihre Spießgesellen; gegen die feisten Kirchenleute, die ihre Herren waren; gegen die grausamen Adligen, die es ebenso arg trieben wie die Kirchenherren. Kämpfen wollte er um dessentwillen, was sie Trusty angetan hatten und um der Dinge willen, die sie England antaten.

Als er im tief verschatteten Hintergrund des Heubodens wieder zu Mitch stieß, flüsterte er dem kleinen Mann seinen Plan ins Ohr. Eine kurze Weile noch blieben sie schweigend liegen, bis die nächtliche Dunkelheit so tief geworden war, daß die Zecher im Haus keinerlei Bewegungen auf dem Hof mehr wahrnehmen konnten. Als er soweit war, stieß Robin seinen Gesellen leicht an, und sie schlängelten sich durch das Heu nach vorn.

Der Mann, der vor dem Scheunentor Wache stand, wurde immer unruhiger, weil es ihn nach seinem Abendessen verlangte. Immer wieder drehte er sich herum, schaute hinüber zu den erleuchteten Fenstern und schimpfte leise vor sich hin. Als er ihnen gerade wieder einmal den Rücken zukehrte, sprang Robin aus seinem Versteck hinunter. Der Mann hörte zwar das leise Geräusch aufspringender Füße hinter sich, aber noch ehe er sich umwenden oder eine Warnung ausrufen konnte, packte ihn Robin und stieß ihm, ohne daß er sich noch wehren konnte, sein Messer zwischen die Rippen. Mit einem leisen Stöhnen brach er zusammen.

Im nächsten Augenblick warf Mitch die beiden Bogen herunter, auf die trockenste Stelle des Misthaufens, so daß sie beim Auffallen keinen Lärm verursachen konnten, und sprang selbst hinterher.”Rasch zur Scheune mit deinem Messer", zischte Robin ihm zu, und während der kleine Mann eilte, um den schweren Riegel zurückzustoßen, hob Robin seinen Bogen auf, spannte einen Pfeil ein und wandte sich dem Haus zu. Falls jemand herauskäme, würde seine Gestalt sich hinter dem erleuchteten Fenster abzeichnen und eine gute Zielscheibe abgeben.

Hinter sich, im Dunkel der Scheune, hörte er leises Flüstern und Stöhnen und schließlich gedämpfte Fußtritte auf dem Tennenboden. Mitch und die Knechte, so schien es ihm, machten einen solchen Lärm, daß selbst das Dorf aufwachen mußte, - das eine halbe Meile weit weg war! Doch das Grölen hinter den erleuchteten Fenstern wurde nur immer lauter, und auch in der Tür ließ sich niemand sehen. Die Knechte, vier schattenhafte Gestalten in der Dunkelheit, standen jetzt neben ihm, und Mitch eilte schon zum Tor.

Als Mitch den schweren Querbalken hob und die Riegel zurückschob, vernahm Robin nur ein leises Knirschen. Doch er drehte sich nicht um, und während er rückwärts auf das nun geöffnete Tor zuging, ließ er die erleuchteten Fenster nicht aus den Augen und hielt den gespannten Bogen weiterhin auf sie gerichtet. Dann hatten sie das Tor hinter sich, und mit Hilfe einer der Knechte versperrte Mitch es wieder und legte den Querbalken vor, den er für diesen Zweck vorsorglich mit herausgenommen hatte.

Sie verbargen sich im Graben hinter der Hecke, und Robin erklärte seinen fünf Männern, was sie nun zu tun hätten: “Ihr habt doch alle einen Bogen unter eurem Lager versteckt - das weiß ich wohl -, geht nun; jeder holt seinen Bogen und was er sonst noch an Waffen oder Werkzeugen hat, auch Nahrungsmittel, alles, was uns von Nutzen sein kann. Aber eilt euch und kommt dann wieder hierher zu mir." Einen der Männer, die sich gehorsam erhoben, hielt er zurück: "Diccon, was ist mit deiner Frau?" Diccon, der als einziger der Knechte verheiratet war, gab bedrückt zur Antwort: "Zu ihrem Bruder oben im Dorf ist sie gegangen, Herr. Ich hab sie gestern fortgeschickt, als die Kunde zu uns kam, daß Ihr geächtet seid." ”Gut", sagte Robin, "nun geh auch du und tu, was ich euch gesagt habe."

Nachdem die vier in der Dunkelheit verschwunden waren, wandte er sich an Mitch, der neben ihm im Graben kauerte: "Mitch, mein Freund, vor einer Stunde noch sagtest du, du wolltest mit mir in die Wälder gehen, aber bedenke es wohl, denn noch ist Zeit. Wenn du jetzt in deine Hütte zurückkehrst, wird dich niemand mit dem in Verbindung bringen, was heute abend geschehen ist. Mir und meinen Knechten bleibt keine andere Wahl. Du aber kannst noch zurück, wenn du jetzt gehst." ”Ich will nicht mehr zurück", antwortete Mitch schroff, "ich will mit Euch in den Wald, wenn Ihr mich als Gefolgsmann wollt, Master Robin." Ich will dich zum Gefolgsmann, Mitch, nur zu gerne", sagte Robin und packte den anderen an der Schulter. Darauf schwiegen sie; Robin ließ die gedrungenen Umrisse der Gesindehütten nicht aus den Augen und lauschte, ob irgendwelche Geräusche auf dem Hof darauf hindeuteten, daß man ihre Flucht entdeckt hatte. Hätte er mit seinen Leuten erst einmal den Schutz des Waldes erreicht, so wären sie in Sicherheit, denn in ganz England gab es keinen Bewaffneten, der Robert von Locksley im Barnesdale-Wald hätte aufspüren können, sofern er nicht gefunden werden wollte. Aber noch lag ein großes Stück offenen Geländes zwischen den Hütten und dem Wald. Erst wenn sie das hinter sich gelassen und die bergenden Bäume des Waldes erreicht hatten, durfte er sich zufrieden geben. So atmete er erleichtert auf, als er sah, wie eine Gestalt sich aus dem Schatten der nächstgelegenen Hütte löste und auf ihn zueilte. Eine weitere folgte, noch eine und noch eine - und die verwegene kleine Schar hatte sich wieder zusammengefunden.

Robin stand schweigend auf und ging nun den Weg wieder zurück, den er am frühen Abend gekommen war: an der Dornenhecke entlang und an den Haselsträuchern, die sich bis zum schützenden Dunkel des Waldes hinaufzogen. Wie Schatten folgten seine fünf Männer ihm auf den Fersen, nicht ganz so lautlos wie er, denn noch war ihnen das Leben in der Wildnis fremd, die von nun an ihre Heimat werden sollte.

Plötzlich erschallte wütendes Geschrei vom Gehöft herauf, und heftige Schläge donnerten an das versperrte Tor. Doch sie hatten den Schutz der hohen Waldbäume und des dichten Unterholzes schon erreicht.

Später in jener Nacht, viele Meilen von Goddethorne entfernt, gelangten sie zu einer Lichtung im Herzen des Waldes und lagerten sich um ein Feuer, das sie aus eilig gesammeltem Reisig entzündeten. Das Abendessen fiel recht mager aus, und die sechs Männer waren noch hungrig. Die wenigen Nahrungsmittel, die die Knechte aus ihren Hütten hatten mitbringen können, mußten noch für den nächsten Tag reichen. Sie hatten nun alles hinter sich gelassen, ihre Felder und mit ihnen auch das Leben, das sie und ihre Vorväter seit Generationen gewohnt waren. Wie betäubt waren die vier Knechte von all den Ereignissen des Tages, auch schmerzten die Peitschenhiebe noch, die sie am Morgen erhalten hatten. Dumpf starrten sie in das Feuer, dessen flackernde Flammen ihre müden Gesichter erhellten. Mitch machte sich daran, ihre Besitztümer zu sichten: sechs Bogen, zweiundzwanzig Pfeile (fünf davon recht plump), eine Sichel, ein lederner Eimer, ein rostiges Schwert, eine hölzerne Schüssel, zwei Knäuel Hanfseil, ein alter brauner Mantel, das Jagdmesser von Robin und sein eigenes, ein paar Stücke Brot und etwas grobes Mehl. Viel war es nicht, aber es mußte reichen, bis sie wieder mehr ihr Eigen nennen würden.

Robin hatte die Hände um seine Knie geschlungen und blickte die Männer seiner kleinen Schar einen nach dem anderen freundlich an. “Nun, meine Freunde, - Diccon, Barnaby, Gurth, Watkin", sagte er schließlich, "ich danke euch, daß ihr Goddethorne für mich verteidigen wolltet."

Langsam schüttelte Barnaby den Kopf: "Wir haben getan, was wir konnten, Master Robin, - wir und Trusty. Aber viel konnten wir ja nicht ausrichten, nur mit Stöcken und Steinen, gegen diese Teufel. Und Trusty haben sie umgebracht." Barnaby war der Kuhhirte und hatte Trusty schon als jungen Hund mit bei der Arbeit gehabt. Er liebte ihn fast so wie Robin. “Ja, meinen guten Trusty haben sie erschlagen", sagte Robin leise. Darauf erhob er sich und blickte auf die fünf vom Feuer erhellten Gesichter nieder: "Nun gibt es für uns nur noch den Greenwood. In der Welt der Menschen ist unseres Bleibens nicht länger - und von morgen ab seid auch ihr Geächtete, wie ich, und auch auf euren Kopf wird ein Preis gesetzt, und eines jeden Menschen Hand wird sich gegen euch erheben."

Zornig murmelten die Männer am Feuer Verwünschungen vor sich hin, bis Watkins, der älteste von ihnen, sich zum Sprecher für sie alle machte: "Wenn Ihr uns anführen wollt, Master Robin, dann kümmert uns das alles nicht." “Euch anführen?" rief Robin, "dann hört mir gut zu: wenn ich euch anführen soll, will ich es nicht dulden, daß ihr zu gemeinen Räubern werdet, zum Schrecken für alle braven Menschen. Erstens dürft ihr nie einer Frau ein Leid antun. Zweitens dürft ihr die Armen nicht berauben oder peinigen, auch keinen braven Bauern, der für sein tägliches Brot so arbeitet, wie ihr oder ich es getan haben; auch keinen armen fahrenden Ritter oder gar ein Kind. Aber den reichen Kaufleuten, den Baronen und den dickwanstigen Kirchenherren, die die Schwachen grausam unterdrücken und den Armen in ihrer Habgier noch ihre letzten Habseligkeiten wegnehmen, - denen könnt ihr antun, was ihr wollt. So und nur so kann ich euer Anführer sein. Ihr Männer des Greenwood, wollt ihr meine Bedingungen annehmen?" Freudig stimmten sie ihm zu, aber auch Zorn schwang mit, als sie gelobten: "Wir nehmen Eure Bedingungen an, und wir wollen Euch zum Anführer, Robin von Barnesdale." Einer nach dem anderen traten sie vor ihn hin, knieten neben dem Feuer nieder, legten ein jeder seine Hände in die Robins, zum Zeichen ihrer Ergebenheit, und schworen ihm und einander die Treue bis zum Tode. Danach legten sie sich beim Feuer nieder und sanken bald in den Schlaf, waren sie doch von den vielerlei Geschehnis dieses Tages gänzlich erschöpft. Nur Robin lag noch lange wach, schaute in die Sterne, die hier und da durch die Zweige funkelten, und lauschte den leisen nächtlichen Geräuschen des Waldes. In seinen Gedanken weilte er in Goddethorne und bei Trusty, - er dachte darüber nach, was ihm und seiner kleinen Schar die Zukunft wohl bringen mochte, und er schmiedete allerlei Pläne, wie er ihr Los verbessern könnte. Schließlich fielen ihm die Augen zu.

Fortsetzung im nächsten Heft.


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