VN 00-4, Oktober 2004

Petri Unheil

In Norwegen werden Versuche unternommen, in Tanks, die mit Kühlwasser aus Kernkraftwerken auf 20 bis 25 Grad temperiert sind, Steinbutt zu züchten, einen der edelsten und teuersten Speisefische. Dem Wolfsbarsch soll ein Lachsgen eingebaut werden, um ihn kälteresistenter zu machen. Der Lachs wiederum wird schon heute mit Futterzusätzen aufgepeppt, damit er, wenn er schon nach nichts schmeckt, wenigstens mit einer schön orangen Farbe das Auge entzückt. In der Zucht liegt die Zukunft. Bis in fünfzehn Jahren, so schätzen Experten, wird die Hälfte der Speisefische aus Aquakulturen stammen. Ausgerechnet der Fisch, der lange Zeit als besonders gesund gepriesen wurde und als Alternative zum Fleisch auch im Binnenland Schweiz zunehmend den Speisezettel zu bereichern begonnen hat, ausgerechnet der Fisch droht wie Rind- und Schweinefleisch mehr und mehr in Verruf zu geraten. Nachdem der industrielle Fischfang mit Hochtechnologie einen erheblichen Teil der Ressourcen abgeräumt hat, wird nun die industrielle Aufzucht der Fische vorangetrieben. Und die Methoden sind einmal mehr jene, die man bereits aus anderen Bereichen der Nahrungsmittelproduktion kennt. Was zählt, ist der Ertrag. Ob die Haltung artgerecht ist, und ob das Produkt auch schmeckt, ist zweitrangig. Wo kommt er her, der Fisch auf unserem Teller? Schwamm er wirklich frei im Meer? Oder nur in Tank oder Käfig? (Quelle: www-x.nzz.ch/folio/archiv/1999/03)

Wie, Sie essen sowieso nur einheimischen Fisch? Haben Sie sich schon einmal überlegt, was es für einen Fisch bedeutet, mit einem modernen Nylon-Netz gefangen zu werden? Im See werden abends die Netze ausgelegt. Die dünnen Nylonfäden sind unsichtbar. Fischschwärme bleiben plötzlich darin hängen. Die Fische können nicht vorwärts durch die zu engen Maschen, und auch nicht mehr rückwärts, weil sie mit den Kiemen hängen bleiben. Im verzweifelten Versuch, sich zu befreien, verwickeln sie sich immer mehr. Stunde um Stunde, die ganze Nacht dauert dieser Befreiungskampf, bis zur völligen Erschöpfung. Am Morgen dann werden die Netze mit den darin verwickelten Fische ins Boot gezogen, wo sie langsam ersticken:

fisch_im_netz.JPG (83021 Byte)

 

Der Fischer
von Johann Wolfgang Goethe

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
Ein Fischer saß daran,
Sah nach dem Angel ruhevoll,
Kühl bis ans Herz hinan.
Und wie er sitzt, und wie er lauscht,
Teilt sich die Flut empor;
Aus dem bewegten Wasser rauscht
Ein feuchtes Weib hervor.
Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
»Was lockst du meine Brut
Mit Menschenwitz und Menschenlist
Hinauf in Todesglut?
Ach wüßtest du, wie's Fischlein ist
So wohlig auf dem Grund,
Du stiegst herunter, wie du bist,
Und würdest erst gesund.
Labt sich die liebe Sonne nicht,
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
Das feuchtverklärte Blau?
Lockt dich dein eigen Angesicht
Nicht her in ewgen Tau?«
Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
Netzt' ihm den nackten Fuß;
Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,
Wie bei der Liebsten Gruß.
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
Da war's um ihn geschehn:
Halb zog sie ihn, halb sank er hin,
Und ward nicht mehr gesehn.


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