14. Mai 1998

Tierschutzstand-Strafprozess
(Ge-)Stapo Winterthur gegen VgT


Die Stadtpolizei Winterthur hat eine alte Sache als Vorwand f�r eine Busse aus der Schublade geholt, um sich am VgT zu r�chen f�r eine Auseinandersetzung zwischen dem VgT und der Stapo anl�sslich einer Anti-Pelzkundgebung vor dem Modehaus V�gele im Dezember 1997, wobei es zu Ausschreitungen durch Polizeibeamte gekommen ist.

 

Pl�doyer von Erwin Kessler vor Bezirksgericht Winterthur
am Donnerstag, den 14. Mai, 17.30 Uhr
in Sachen

Stadtpolizei Winterthur gegen VgT-Aktivistin H. K.
betreffend angebliche
Missachtung des Tierschutzgesetzes und der Polizei-Verordnung durch VgT-Tierschutzinformationsstand

Sehr geehrter Herr Pr�sident, meine Damen und Herren,

ich beantrage,
die Bussenverf�gung sei aufzuheben unter Kosten- und Entsch�digungsfolge zulasten der verantwortlichen Polizeibeamten, evtl der Staatskasse.

Begr�ndung:

1. Missachten von Auflagen einer Bewilligung

Seit Jahren f�hrt der VgT in Winterthur einen Tierschutz-Informationsstand abwechselnd mit lebenden Kaninchen oder zwei jungen Schweinen durch. Das gab nie zu irgendwelchen Beanstandungen Anlass. Oft wurde in den Gesuchen bzw Bewilligungen einfach nur angegeben "mit zwei lebenden Tieren", gelegentlich aber auch konkret "Kaninchen" oder "Schweine". Die Bewilligungen m�ssen immer sehr lange im voraus eingeholt werden. Manchmal gibt es dann kurzfristige �nderungen, weil bei einem Stand mit Schweinen mehr Standbetreuer notwendig sind als mit Kaninchen.

F�r den Stand vom 16.8.1997 waren Kaninchen geplant. Kurzfristig wurden dann aber die Schweine mitgenommen, weil es genug Helfer gab. Wegen der absoluten Belanglosigkeit des Umstandes, dass in der Standbewilligung Kaninchen und nicht Schweine erw�hnt waren, ist nun eine Busse verf�gt worden. Das stellt einen verfassungswidrigen �berspitzten Formalismus und einen rechtsmissbr�uchlichen Racheakt der (Ge)Stapo Winterthur gegen den VgT dar; ich werde das noch ausf�hrlich beweisen.

2. Bef�rdern von Schweinen ohne entsprechenden Verkehrsschein

Gem�ss Tierseuchengesetz Artikel 14 l�sst der Bundesrat Ausnahmen zu, welche von der Verkehrsscheinpflicht entbindet, wenn Tiere nur vor�bergehend in einen anderen Viehinspektionskreis verbracht werden. Der Bundesrat hat diese Ausnahmen in Artikel 13 der Tierseuchenverordnung geregelt. Danach ist ein Verkehrsschein nicht erforderlich, "wenn Klauentiere zum Weidegang, zur Auf�tzung von Futter, zur Zucht, zur tier�rztlichen Behandlung oder zu �hnlichen Zwecken vor�bergehend, l�ngstens f�r sechs Tage, den Inspektionskreis verlassen." Aus den folgenden Gr�nden ist die Verwendung von Schweinen an einem Informationsstand mit anschliessendem R�cktransport an den Ausgangsort, den aufgez�hlten Ausnahmen gleichwertig und unter "�hnlichen Zwecken" zu subsumieren:

Beim Transport handelt es sich um eine blosse Rundfahrt, nicht um ein Verbringen der Tiere in eine andere Gegend. Weder die Schweine noch deren Betreuer am Stand kommen mit anderen Schweinebest�nden in Kontakt. Die Sache ist deshalb seuchenpolizeilich unbedenklich und die Anwendung der seuchenpolizeilichen Transportvorschriften auf diese Rundfahrt ist offensichtlich verfehlt, entspricht nicht dem Sinn der Vorschrift und stellt deshalb eine falsche Gesetzesanwendung, allenfalls �berspitzten Formalismus dar. Die Tiere kommen mit keinen anderen in Kontakt und werden am gleichen Tag wieder in ihren Stall zur�ckgebracht.

Die Verwendung von Schweinen ohne Verkehrsschein am Informationsstand des VgT wird seit Jahren in der ganzen Schweiz, auch in Winterthur, geduldet, gest�tzt auf eine sachgem�sse Anwendung von Artikel 13 der Tierseuchenverordnung. Es verletzt den Grundsatz von Treu und Glaube, wenn nun pl�tzlich ohne Vorwarnung und ohne Anh�rung der Betroffenen pl�tzlich eine Busse verf�gt wird.

3. Die Bussenverf�gung ist aus reiner Rachelust gewisser Polizeibeamter entstanden und ist daher rechtsmissbr�uchlich.

Das feindselige Verhalten der (Ge)Stapo Winterthur gegen�ber dem VgT hat bereits Tradition:

Am Samstag, den 23. M�rz 1996, verteilte VgT-Pr�sident Erwin Kessler an der Stadthausstr Winterthur auf �ffentlichem Grund in der N�he der Metzgerei Gubler Konsumenten- und Tierschutzinformationen. Dabei wurde er von einem Unbekannten aus dem Hause Gubler t�tlich angegriffen. Die herbeigerufene Stadtpolizei ergriff sofort Partei f�r die Metzgerei und verhinderte eine Identifikation des T�ters. Die zwei Polizisten gingen allein in die Metzgerei hinein und verweigerten dem Angegriffenen zwecks Identifikation des T�ters mitzukommen. Nach kurzer Zeit kamen die Bematen grinsend wieder heraus. Die Bezirksanwaltschaft tat ein halbes Jahr lang nichts. Als sie schliesslich mit den Einvernahmen begann, stellte sich heraus, dass die Stadtpolizei nicht den T�ter, sondern einen unbeteiligten Angestellten der Metzgerei rapportiert hatte. Der T�ter konnte nach dieser langen Zeit nicht mehr ermittelt werden.

Am Montag, den 8. Dezember 1997, ersuchte der VgT die Stadtpolizei Winterthur per Fax um eine Bewilligung f�r eine Anti-Pelz-Tierschutzkundgebung mit 5 Teilnehmern am Samstag, den 13. Dezember, in der Marktgasse Winterthur. Am Dienstag, den 9. Dezember, meldete sich Herr Kr�gel von der Gewerbepolizei telefonisch und verlangte die Drucksachen, die verteilt werden sollten, zur inhaltlichen Pr�fung. Der VgT-Pr�sident machte ihn darauf aufmerksam, dass das eine unzul�ssige Zensur darstelle und die Kundgebungsbewilligung nicht vom Inhalt der Flugbl�tter abh�ngig gemacht werden d�rfe. Herr Kr�gel bestritt dies. Der VgT blieb bei seinem Vorbehalt, sandte aber die Drucksachen dennoch ein. Diese gingen am Donnerstag mit A-Post weg und m�ssen am Freitag-Morgen bei der Gewerbepolizei eingetroffen sein.

Bis Samstag-Morgen, den 13. Dezember, lag noch kein Entscheid betreffend das Gesuch vom 8. Dezember vor. Der Pr�sident des VgT entschloss sich, die Kundgebung in kleinerem, auf jeden Fall den Fussg�ngerverkehr nicht behindernden Umfang, und zeitlich beschr�nkt auf 10.30 bis 12.00 Uhr, durchzuf�hren. Die Kundgebung begann um 10.30 Uhr in der N�he der Filiale des Modehauses V�gele an der Marktgasse: Zwei mit blutrot bespritzten Pelzm�ntel und einer Totenkopfmaske verkleidete VgT-Aktivisten verteilten die VgT-Nachrichten mit einem Artikel �ber die Konsumentent�uschungen des Modehauses V�gele bez�glich der Herkunft der Pelzverbr�mungen an Winterjacken. Kurz nach Beginn der Kundgebung trat ein Stadtpolizist in zivil (Name: Heeb oder Hab oder �hnlich) auf und verlangte, dass die Kundgebung abgebrochen werde. Die Kundgebung sei nicht bewilligt worden. Der VgT-Pr�sident protestierte dagegen, da er dar�ber nicht rechtzeitig - telefonisch oder per Fax - orientiert worden sei und bestritt, dass irgendwelche rechtlich haltbaren Ablehnungsgr�nde vorl�gen. Der Polizeibeamte nahm die Personalien der beiden verkleideten Kundgebungsteilnehmer auf und verlangte dann vom passiv die Kundgebung �berwachenden VgT-Pr�sidenten, dass er sich aus der Umgebung des Modehauses V�gele entferne und auf die andere Strassenseite hin�ber gehe. Der VgT-Pr�sident widersetzte sich dieser Anweisung und sprach dem Beamten das Recht ab, ihm Weisungen zu erteilen, wo er sich auf �ffentlichem Grund aufhalten d�rfe und wo nicht. Es handelt sich um ein klare Parteinahme der Stapo f�r das Modehaus V�gele und gegen den VgT. Der Fall wird vermutlich noch rechtliche Folgen haben mit einem Weiterzug bis vor den Europ�ischen Gerichtshof f�r Menschenrechte. In der Begr�ndung der Bewilligungs-Verweigerung wird geltend gemacht, in der Vorweihnachtszeit w�rden in der Marktgasse keinerlei Kundgebungen bewilligt, da die Gefahr einer Staubildung im dichten Fussg�ngerverkehr bestehe. Dabei handelt es sich offensichtlich nur um eine vorgeschobene Begr�ndung. Dass die Drucksachen zur inhaltlichen Pr�fung verlangt wurden belegt klar, dass das Kundgebungsverbot in Wahrheit einseitig zugunsten der Interessen des Modehauses V�gele erlassen wurde. Es handelt sich offensichtlich um einen politisch motivierten und darum verfassungs- und EMRK-widriges Kundgebungsverbot. Der vorgeschobene Zweck, gef�hrliche Staubildungen im Fussg�ngerverkehr zu verhindern, l�sst sich mit milderen Massnahmen als mit einem generellen Verbot auch von Kleinkundgebungen erreichen. Das ist durch den st�rungsfreien Ablauf der Kundgebung bewiesen worden. Im �brigen hat die Stadt Winterthur w�hrend der ganzen Vorweihnachtszeit den Verkehr eines Samichlauses mit Ross und Wagen in der Marktgasse zugelassen. Dieses Verkehrsgef�hrt hat den Fussg�ngerverkehr stark behindert und regelm�ssig zu Staubildungen gef�hrt. Der einzige Zweck war ein kommerzieller: die Winterthurer Innenstadt f�r den Weihnachtseinkauf attraktiver zu machen. Es ist verfassungs- und EMRK-widrig, bei der Ben�tzung �ffentlichen Grundes rein kommerziellen Interessen gegen�ber der Grundrechtsaus�bung den Vorzug zu geben.

Am 20. Dezember 1997 f�hrte der VgT an der Marktgasse erneut eine Kleinkundgebung gegen die tierqu�lerische und konsumentent�uschende Pelzmode des Modehauses V�gele durch und zwar in Form eines kleinen Strassentheaters. Beteiligt waren drei kost�mierte Personen. Die Kundgebung dauerte nur eine Stunde und behinderte den Fussg�ngerverkehr nicht wesentlich. Nach etwa zwanzig Minuten trat ein Aufgebot von mindestens sechs Mann der Stadtpolizei Winterthur in Erscheinung. Mit r�dem Ton und Drohhaltung, ganz nach Gestapo-Art, wurden die Personalausweise verlangt. Die am Boden liegende als F�chsin verkleidete Aktivistin wurde schliesslich in einen hinter der Hausecke bereitstehenden Streifenwagen getragen. Einer Frau, welche das ganze Geschehen fotografieren wollte, wurde von einem Polizeibeamten eine Decke �ber den Kopf gest�lpt. Dann wurde sie von diesem Bullen umklammert und zu Boden geworfen, so dass sie mit dem Kopf auf dem harten Boden aufschlug; ihre Brille flog ebenfalls auf den Boden. Hierauf wurde die Polizei spontan von Passanten ausgepfiffen und f�r das grobe Vorgehen beschimpft. Der Beamte, welche die Fotografin derart angegriffen hat, wurde bemerkenswerterweise von einigen Passanten als ein Polizist namens M�ller erkannt. Er scheint in Winterthur ein Begriff zu sein! Was dem Vorfall die Krone aufsetzt ist, dass das Polizeikommando diesen Vorfall nachher gegen�ber den Medien dementierte, ohne den Sachverhalt korrekt abgekl�rt zu haben und ohne sich f�r die zahlreichen Zeugen zu interessieren. Der Polizeifilz deckt sich gegenseitig mit Falschaussagen, wenn es gegen den VgT geht.

Die vorliegende Bussenverf�gung datiert vom 17.12.1997, also vier Tage nach der Auseinandersetzung zwischen VgT und Stapo betreffend die Kundgebung vom 13. Dezember. Offensichtlich wurde aus Rache eine alte Sache, die auf den August zur�ckgeht, hervorgeholt, um den VgT zu schikanieren. Dies zeigt sich auch in der Haltlosigkeit und Spitzfindigkeit der Beschuldigung selbst.

Aus all diesen Gr�nden ist die Busse wegen Verfassungs- und Rechtswidrigkeit aufzuheben und die Angeschuldigte freizusprechen und angemessen zu entsch�digen.

 

Urteil des Bezirkgerichtes Winterthur


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