17. Januar 2000

Pollizeiwillk�r in B�lach: Beschwerde an das Obergericht

Zur Vorgeschichte siehe: www.vgt.ch/justizwillkuer/polizeiwillkuer-buelach.htm

 

Nichtigkeitsbeschwerde

in Sachen

1. Matthias H, 8424 Embrach
2. Manuel R, 8424 Embrach

gegen

1. Bezirksanwaltschaft B�lach
2. G�nther Prassl, Polizeibeamter, 8180 B�lach

wegen

N�tigung und Amtsmissbrauch

 Antr�ge:

1. Es sei festzustellen, dass das Verfahren rechtswidrig verschleppt worden ist.
2. Die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zur�ckzuweisen.
3. Die Gesch�digten seien f�r die Verschleppung und f�r das Nichtigkeitsverfahren zu entsch�digen.

Begr�ndung:

1. Verfahrens-Verschleppung

Die (definitive) Rekursschrift wurde am 9. Juni 1999 eingereicht. Am 16. August 1999 f�llte der Einzelrichter in Strafsachen den Rekursentscheid (ohne Mitteilung an die Gesch�digten). Am 18. November 1999 protestierte der Vertreter der Gesch�digten beim Einzelrichter gegen die Verschleppung des Rekursverfahrens. Erst am 13. Januar 2000 wurde der Rekursentscheid spediert. Dies stellt eine menschenrechtsverletzende Verschleppung dar. Gem�ss Praxis des Europ�ischen Gerichtshofes f�r Menschenrechte (EGMR) sind Verz�gerungen zwischen Urteilsf�llung und Zustellung an die Parteien besonders gravierend; �berlastung der Gerichte oder deren Sekratariate werden nicht als Rechtfertigung f�r Verfahrensverschleppungen anerkannt ( Mark Villiger: Handbuch der EMRK, Frowein/Peukert: EMRK-Kommentar). Diese Verschleppung verletzt EMRK 6.1 sowie StPO 33 (Niklaus Schmid: Strafprozessrecht, 3. Auflage, Seite 62ff). Obwohl ein Festellungsantrag in der StPO nicht ausdr�cklich vorgesehen ist, muss dieser m�glich sein, da die EMRK-Vertragsstaaten verpflichtet sind, gegen EMRK-Verletzungen wirksame Beschwerdemittel bereitzustellen. (Eine blosse Aufsichtsbeschwerde w�re kein wirksames Rechtsmittel im Sinne der Praxis des EGMR.)

2. Falsche Auslegung des Strafgesetzbuches und willk�rliche Beweisw�rdigung

Auszugehen ist vom unbestrittenen Sachverhalt:

Am Sonntag, den 7. Februar 1999 verteilten zwei jugendliche Mitglieder des VgT im Auftrag des VgT in der N�he des Kinos ABC in B�lach nach der Vorstellung des Filmes "Babe" um 16 Uhr das Journal "VgT-Nachrichten" (VN) an Passanten. Dabei hielten sich die beiden Jugendlichen auf �ffentlichem Grund in einiger Distanz vom Kino auf, nachdem sie vom Kinobesitzer gebeten worden waren, die Drucksachen nicht direkt vor dem Kinoeingang zu verteilen. Polizeiwachtmeister G�nther Prassl, der aus der Kinovorstellung kam, trat unbestritten als Polizist (nicht als Privatperson) auf und wies die zwei VgT-Aktivisten mit den Worten weg, sie sollten "verreisen", das sei "sowieso nur dem Kessler sein Seich" (mit "Kessler" war offensichtlich der Pr�sident des VgT gemeint). Die Wegweisung unterstrich er sodann mit den Worten "wird's endlich!".

Der Einzelrichter hat den Tatbestand der N�tigung und des Amtsmissbrauches verneint mit der Begr�ndung, der angeschuldigte Polizist habe den Gesch�digten "weder ausdr�cklich irgendwelche ernstlichen Nachteil angedroht, noch durften oder mussten diese aus dessen Worten darauf schliessen, dass ihnen im Falle einer Weigerung irgendwelche ernstlichen Nachteile entst�nden."

Der Antrag 2 st�tzt sich auf folgende Nichtigkeitsgr�nde:

1. Falsche Anwendung des StGB bez�glich N�tigung und Amtsmissbrauch:
Der Einzelrichter beahuptet zu Unrecht, eine rechtswidrige, missbr�uchliche Wegweisung durch einen Polizeibeamten stelle weder N�tigung noch Amtsmissbrauch dar. Dieser verfehlten Rechtsanwendung liegt die unhaltbare Auffassung zugrunde, Ungehorsam gegen�ber polizeilichen Anweisungen k�nne keine nachteiligen Folgen haben, kurz: Wer der Polizei gehorcht, ist selber schuld.

2. Willk�rliche Beweisw�rdigung:
Zur Aufrechterhaltung der �ffentlichen Ordnung stehen der Polizei, gest�tzt auf die polizeiliche Generalklausel, Zwangsmassnahmen zur Verf�gung. So werden etwa unbewilligte Kundgebungen mit Schlagst�cken, Wasserwerfern und gewaltsamen Verhaftungen aufgel�st. Im vorliegenden Fall ist der Angeschuldigte als Polizeibeamter aufgetreten, womit er zu Erkennen gab, dass n�tigenfalls das ganze Arsenal polizeilicher Zwangsmassnahmen in Betracht komme, um seine Anweisung durchzusetzen, zB Anforderung von Verst�rkung zum gewaltsamen Abf�hren der sich der Wegweisung widersetzenden Jugendlichen. Jederman in der Schweiz weiss, dass bei Widerstand gegen polizeiliche Massnahmen mit Verzeigung, Verhaftung oder unmittelbarer Gewaltanwendung gerechnet werden muss. Diese allgemeine Aufassung entspricht der tats�chlichen Rechtslage. In der juristischen Fachliteratur heisst es dazu (Hans Reinhard: Allgemeines Polizeirecht, Haupt-Verlag 1993, Seite 244, Ziffer 6):

Wegweisung und Fernhaltung
Die Polizei kann eine Person vor�bergehend von einem Ort wegweisen oder ihr vor�bergehend verbieten, einen Ort zu betreten... Die Vollstreckung einer Wegweisung kann gegebenfalls mit einer kurzfristigen de facto Freiheitsentziehung verbunden sein.

Die Jugendlichen h�tten somit im Falle der Weigerung mit einer Verhaftung rechnen m�ssen. Die Feststellung des Einzelrichters, sie h�tten bei einer Weigerung nicht mit Nachteilen rechnen m�ssen oder d�rfen, ist somit krass unhaltbar und damit willk�rlich. Eine widerrechtliche Verhaftung stellt einen massiven Eingriff in die Freiheitsrechte dar; nicht umsonst ist Freiheitsberaubung laut Strafgesetzbuch als Verbrechen qualifiziert.

Sollte der angefochtene Entscheid in Rechtskraft erwachsen, w�re damit verbindlich festgelegt, dass niemand in der Schweiz verpflichtet ist, polizeilichen Anweisungen Folge zu leisten und dass die Polizei bei Missachtung ihrer Anweisungen keinerlei Zwangsmassnahmen einsetzen darf. Eine solche Feststellung w�re f�r uns Tiersch�tzer manchmal auch recht praktisch, weshalb wir daran interessiert sind, dass dieser Entscheid von oberen Instanzen - letztlich h�chsrichterlich und auch noch vom Europ�ischen Gerichtshof - beurteilt wird, damit zu dieser wichtigen Rechtsfrage von grosser praktischer Bedeutung endg�ltige Rechtsklarheit geschaffen wird. Auch viele B�rger in diesem Land d�rfte es interessieren, dass sie zum Beispiel nicht verpflichtet sind, sich gegen�ber der Polizei auszuweisen, den F�hrerschein oder den Fahrzeugausweis vorzuzeigen oder sonstigen Anweisungen der Polizei nachzukommen.

Erwin Kessler, Pr�sident VgT, Rechtsvertreter der gesch�digten VgT-Aktivisten


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