14. Dezember 2002
 
  Ein bemerkenswertes Buch!

von Franz Riklin,
Rechtsprofessor an der Universit�t Freiburg

 

Online-Version des Buches

 

Franz Riklins Geschichten f�hren uns in die Niederungen des Freiburger Politghettos. Er zeigt die Mechanismen auf, die zu schwerwiegenden Rechtsverletzungen f�hren (verbotene Geheimakten, illegale Telefonkontrollen, illegale Haftanordnung, Missbr�uche und Dem�tigungsrituale durch die Polizei, selektive Verfolgung von Deliktvorw�rfen, Versagen der Aufsicht durch die Strafkammer und vieles mehr). Er prangert die Bagatellisierung der Missst�nde durch die Regierung an. Und er beschreibt die Auswirkungen auf die �brige Schweiz. Ein wahrer Kriminalroman.

Zitate aus dem Buch:

Was mich st�rte und betroffen machte, waren einerseits die Vielzahl schwerwiegender Grundrechtsverletzungen, auf die ich bei meinen Recherchen stiess, und andererseits die Methoden, mit denen die Betroffenen und der Politfilz versuchten, duch Geheimhaltung, Desinformation, Bagatellisierung und selbst mit L�gen Vorw�rfen entgegenzutreten. Was mich �rgerte, waren weniger einzelne Fehler als die in diesem Kanton gelebte Verlogenheit...

Bei allem Verst�ndnis f�r die im politischen Alltag praktizierte Sch�nf�rberei gab ich mich der Illusion hin, ab einer gewissen Schwere der Verfehlungen, namentlich bei schwerwiegenden Grundrechtsverletzungen, w�rden sich rechtsstaatlich denkende und sich unserem Wertsystem verpflichtet f�hlende Politiker und Beh�rden solidarisieren und solche Zust�nde verurteilen, unabh�ngig von der Parteizugeh�rigkeit jener Leute, dei f�r diese Missbr�uche verantwortlich sind...

Beh�rden und Betroffene entwickelten eine hochspezialisierte Technik, auf sachbezogene Kritik entweder nicht oder dann so zu reagieren, dass sie sich nicht mit den Fakten auseinandersetzen mussten. So wurde etwa behauptet, ich sei nicht gen�gend informiert, man k�nne wegen des Amtsgeheimnisses nicht antworten, meine Ausf�hrungen seien polemisch oder unh�flich, nicht alles, was ich sage, sei richtig etc ... Man kritisierte mit diffusen Floskeln mein Vorgehen, ohne zu sagen, was konkret falsch oder unvertretbar sei...

Zum System der Rufsch�digung geh�rte es auch, immer wieder zu behaupten, meine Vorw�rfe seien zum Teil ungerechtfertigt. In seiner Stellungnahme zur Interpellation Perroud sagte der Staatsrat ferner, wer Kritik an Justiz und Polizei �be, m�sse seine �usserungen "auf eine ausreichende Kenntnis des Sachverhalts und des Rechts st�tzen k�nnen". Damit wurde insinuiert, ich h�tte unzureichend recherchiert. Wenn ich jedoch alle meine kritischen �usserungen Revue passieren lasse, ist mir kein Vorwurf bekannt, von dem man sagen k�nnte, er sei leichtfertig erhoben worden. Auf mein ausdr�ckliches Ersuchen hin, mir ein Beispiel eines ungerechtfertigten Vorwurfs zu nennen, reagierte die Regierung nicht. Kafka l�sst gr�ssen....

Fall Rime:  Pierre Rime wurde durch die Freiburger Strafjustiz regelrecht in den Tod getrieben. Ich habe seinerzeit f�r seine Angeh�rigen gutachtlich Stellung genommen. Dabei hatte ich Gelegenheit, in das offizielle Gerichtsdossier Einsicht zu nehmen. Ich stellte eine Vielzahl schwerer Prozessrechtsverletzungen von Untersuchungsrichter Andr� Piller fest. Dieser Fall war f�r mich ein Schl�sselerlebnis, weil ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie in meinen Leben ein derart missbr�uliches Dossier gesehen hatte. Zun�chst wurde die beliebte Taktik angewandt, einen dubiosen Kriminellen als Informanten aufzubauen und ihn einen Verdacht gegen�ber einer Person aussprechen zu lassen, die man fertig machen wollte... Man konnte Rime weder mit den illegalen Telefonkontrollen noch mit der rechtswidrigen Befragung der f�nfundvierzig Zeugen �berf�hren... Ins Gesamtbild passt, dass Untersuchungsrichter Piller gesetzeswidrig nie eine Untersuchung gegen Rime er�ffnete. Dieser wurde nach dreimonatiger Telefonkontrolle bloss als Auskunftsperson befragt. Bei der ersten und einzigen Einvernahme wurde Rime die konkrete Beschuldigung nicht bekanntgegeben. Piller sagte Rime nur, eine Person habe ihm erkl�rt, in einem wichtigen Gesch�ft habe er mit Schwarzgeldern gehandelt. Nicht orientiert wurde Rime auch �ber die vorg�ngige Telefonkontrolle. Zudem wurde er nicht auf sein Aussageverweigerungsrecht als Beschuldigter hingewiesen... 1994 beging Rime Selbstmord, und das Strafverfahren wurde eingestellt. In der Einstellungsverf�gung wurde ausdr�cklich darauf hingewiesen, dass das Verfahren keine Straftat zutage f�rderte, die man Rime h�tte anlasten k�nnen..

Der Fall Grossrieder: Paul Grossrieder stand �ber dreissig Jahre im Dienste der Freiburger Polizei. Als oberster Drogenfahnder wurde er allseits, auch von ausserkantonalen und ausl�ndischen Beh�rden, geachtet und gesch�tzt. Viele Fahndungserfolge sind wesentlich ihm zu verdanken. Von den Amerikanern erhielt er Auszeichnungen. Man war deshalb nach der Verhaftung am 20.3.1998 und der Bekanntgabe der gravierenden Beschuldigungen �berrascht und betroffen. Analysiert man die Hintergr�nde dieses Falles, die gegen Grossrieder erhobenen und schliesslich vor erster Instanz als unbegr�ndet bewerteten Vorw�rfe, die schweren Verfahrensfehler sowie die provozierend einseitige Art, wie das Verfahren gegen ihn gef�hrt wurde, liegt der Verdacht nahe, dass es sich hier um eine mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln gef�hrte Abrechnung handelte... Mit aller H�rte ging man gegen den Leiter der Drogenbrigade, Paul Grossrieder, vor, weil dieser nicht bereit war, sich in einem an Missbr�uchen reichen Verfahren regelrecht abschlachten zu lassen, sondern verschiedene schwere  Missst�nde offenlegte... Das "System" hat sich an ihm ger�cht. Es wurde ein moderner Hexenprozess veranstaltet. Wenn man die Kreise des Filzes st�rt, wird man ausgegrenzt...

Politik und Medien: Eine Grossr�tin sagte an einer Sitzung des Grossen Rates am 9.2. 2001, als es um die Verwirklichung eines Informationsgesetzes ging: " Man sollte die Medien nicht als notwendiges �bel ansehen, sondern vielmehr als vorrangiges Instrument zur Verbreitung staatlicher Informationen." Diese Aussage charakterisiert das in Freiburg herrschende Medienverst�ndnis. Die Medien sind gerade recht, um Reden und Vorschl�ge der Beh�rden publik zu machen. Das ist Verlautbarungsjournalismus in Reinkultur. Weniger beliebt ist Kritik. Aus gut informierten Kreisen bin ich unterrichtet worden, dass es im Laufe der Zeit immer wieder massivste  Einflussnahmen und Drohungen gegen Medien gegeben hat, wenn sie ihre Aufgabe der Kontrolle von Machttr�gern wahrzunehmen versuchten. Hinzu kommen viele Verflechtungen pers�nlicher Art oder durch Vertreter der Politik in Verwaltungsr�ten von Medienunternehmen... Ein Journalist, der die Recherche pflegte und viele schwerwiegende Missst�nde aufdeckte, b�sste dies mit der Entlassung. Ich meine Andreas Keiser, Chefredaktor von Radio Freiburg. Er wurde vom Verwaltungsrat dieser Lokal-Radiostation unter dem Vorsitz des einflussreichen und umstrittenen CVP-Politikers Damien Piller gegen den Willen der �berwiegenden Mehrheit der Redaktion in die W�ste geschickt, dies unter dem Vorwand von Personalquerelen. Kenner der Politszene sind �berzeugt, dass im Vordergrund politische Motive standen, die Entfernung eines ungeliebten Kritikers. Dies sagte selbst ein Verwaltungsrat des Senders, Claude Ayer. F�r ihn war es "ein Attentat gegen das Recht auf Information und die redaktionelle Freiheit". Dr Markus Escher, NZZ-Korrespondent und Pr�sident der Programmkommission, erkl�rte: "Seit einiger Zeit wollen mindestens drei Personen Keiser wegen seiner politischen Berichterstattung vom Radio entfernen."...

Umgang mit Kritikern: Interessant sind die Mechanismen, die die Interpellation Perroud ausl�ste. Der Vorstoss war ein Versuch, mich mit Beleidigungen und tatsachenwidrigen Unterstellungen aus der Universit�t zu entfernen. Der Rektor musste gegen�ber der Regierung zu jedem Punkt der Interpellation Stellung nehmen. Es ging dabei auch um die Frage, ob ich meine Pflichten als Professor erf�lle. Die Regierung wurde in der Folge �ber meinen fachlichen Ruf, die Anzahl meiner Vorlesungen, Examen, korrigierter Seminararbeiten und der bei mir verfasten Dissertationen, meine Publikationen und Referate im In- und Ausland, meine h�ngigen Recherchen, meine Aktivit�ten innerhalb des Universit�tsbetriebs und im Bereich der Weiterbildung, ja sogar �ber das Ergebnis einer kontrollierten Evaluation unterrichtet. Diese "Durchleuchtung" wurde mit zwei rund zweist�ndigen Befragungen durch drei Mitglieder des Staatsrates komplettiert. Das Ziel der Operation war klar: W�re in bezug auf meine berufliche T�tigkeit etwas Negatives herausgekommen, w�re dies von der Regierung und dem Grossen Rat breitgeschlagen worden, auch wenn kein Zusammenhang mit meiner Kritik bestanden h�tte. Man versucht in Freiburg, Kritiker gesellschaftlich zu erledigen. Wegen der Gefahr solcher Folgen wagen leider viele Leute in diesem Kanton keine �ffentliche Kritik. Es ist bedenklich, dass sich ein Universit�tsprofessor gefallen lassen muss, zum Freiwild eines opportunistischen Politikers zu werden, der eine derartige "Durchleuchtung" veranlassen kann und f�r diesen Zweck auch noch die Regierung zu instrumentalisieren vermag. Die Regierung ermahnte mich in ihrer Stellungnahme zur Interpellation Perroud zu mehr Zur�ckhaltung und zu mehr H�flichkeit. Man versuchte es auch hier mit einer diffusen Massregelung. Offenbar geh�rt es zum Ritual einer von der Aufkl�rung verschonten Republik, dass die Unteranen den Machttr�gern auch bei schwersten Grundrechtverletzungen mit H�flichkeit begegnen m�ssen. Ich halte es hier mit Professor J�rg-Paul M�ller, der sagte: "Recht lebt von der Emp�rung, die man angesichts von Ungerechtigkeiten empfindet. Gef�hl ist zwar nicht die L�sung f�r einen Rechtsfall, aber die Motivation, Regeln aufzustellen, damit in einem vergleichbaren Fall die Ungerechtigkeit nicht mehr vorkommt."...

Den Titel "Von der Aufkl�rung verschont" habe ich f�r dieses Buch gew�hlt, um zum Ausdruck zu bringen, dass auf jeden Fall in Freiburg, aber wohl auch anderswo Verhaltensmuster bestehen, die an das Mittelalter und an Zust�nde erinnern, wie man sie aus totalit�ren Staaten kennt...

Der Politfilz versucht, das Geschehene m�glichst zu verdr�ngen und zu verharmlosen, um wieder zur Tagesordnung �bergehen zu k�nnen...

Die Versager von Freiburg bei der Bundesanwaltschaft: Durch die Erweiterung der Verfahrenskompetenzen des Bundes in F�llen komplexer und grenz�berschreitender Wirtschaftskriminalit�t werden Bundesanwaltschaft und Bundespolizei stark ausgebaut. Ich finde es bedenklich, dass man sich dabei nicht scheute, ausgerechnet die Hauptverantwortlichen der Justizskandale der letzten Jahre in Freiburg, Ex-Untersuchungsrichter Patrick Lamon und Kantonsrichter Paul-Xavier Cornu f�hrende Positionen als stellvertretender Bundesanwalt beziehungsweise als Chef der Stabsdienste zu verschaffen. Angeblich wurde ein sorgf�ltiges Auswahlverfahren durchgef�hrt. Lamon soll hochkar�tige Referenzen vorgewiesen haben. Ich kann hier nur ungl�ubig staunen...

�ber die Tatsache, dass die Hauptverantwortlichen der Freiburger Justizmisere nicht nur weitgehend nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern als "Belohnung" sogar in die Bundesanwaltschaft aufgenommen wurden, orientierte ich am 22. Dezember 2001 Frau Bundesr�tin Ruth Metzler. Diese antwortete am 27. Februar 2002 mit einem nichtssagenden Routinebrief. Metzler schrieb, sie gehe davon aus, dass der Bundesanwalt die richtigen Personen ausgew�hlt und angestellt habe.

Es gibt auch eine legitime Justizkritik, ja sogar eine legitime Einflussnahme auf Strafverfahren, wenn diese - wie das in Freiburg h�ufig vorkam - verschleppt werden, wenn illegale Telefonkontrollen erfolgen, wenn die Abkl�rung von Deliktvorw�rfen vom Umstand abh�ngt, ob die verd�chtige Person zum Filz geh�rt oder in dessen Augen Persona non grata ist, wenn gravierende Verletzungen von Beschuldigten- und Zeugenrechten stattfinden etc...

Ich w�re g�nzlich unglaubw�rdig, wenn ich in Vorlesungen f�r faire Strafverfahren und die Einhaltung der Grundrechte pl�diert und bei schweren Missachtungen ebendieser Grundrechte geschwiegen h�tte. Die Geschichte hat gelehrt, wohin es f�hrt, wenn sich im Strafwesen t�tige Personen unkritisch mit Beh�rden solidarisieren, die Unrecht begehen oder tolerieren...

Ist Freiburg �berall? Ja und nein. In Freiburg war ich mit schockierenden Zust�nden konfrontiert, doch k�nnen sich die aufgedeckten Mechanismen �berall entwickeln. Das zeigen mir viele Reaktionen aus der ganzen Schweiz, in denen oft betont wurde, in anderen Kantonen sei es nicht besser.

Riklin berichtet in seinem Buch ausf�hrlich und pr�zis �ber die 54 F�lle und bemerkt dazu:

Die Missst�nde sind sehr viel eindr�cklicher, wenn man auch die Details und die jeweiligen Abwehrstrategien kenn.

* * *

Sehr geehrter Herr Prof Riklin,

ich habe Ihr spannendes Buch gelesen, obwohl es mir zeitweise sehr schwer fiel, denn vieles kam mir deprimierend bekannt vor, vor allem das Zusammenwirken des Filzes beim Abweisen von Beschwerden mit obrigkeitlichen Floskeln und Nichteingehen auf den Sachverhalt. Jeder deckt jeden in diesem Filz, Kritiker werden mit Rufmordkampagnen ausgegrenzt.

F�r andere Leser wird die Lekt�re wohl verdaulicher sein dank der Illusion, der "Fall Freiburg" sei ein einmaliger Fall und selbstverst�ndlich w�rden die Missst�nde nun, da sie aufgedeckt sind, im demokratischen Rechtsstaat Schweiz sofort beseitigt.

Bevor ich mit meiner Tierschutzarbeit angefangen habe, war ich auch ein gutgl�ubiges Mitglied des Establishments. Ich glaubte an das, was ich in der Staatskunde �ber das Funktionieren der Schweiz gelernt hatte. Ich glaubte, ich m�sse die katastrophalen Missst�nde hinter den Mauern der Tierfabriken nur aufzeigen, dann w�rde das nicht weiter geduldet. Weit gefehlt. Als �berbringer der schlechten Botschaft, als Aufdecker von etwas, das nicht sein kann, weil es nicht sein darf, versuchte dieser Staat mich mit Hilfe politischer Justiz mundtot zu machen, mit gerichtlich sanktionierten Verleumdungskampagnen zu isolieren und mit staatlichen Machtdemonstrationen und Gef�ngnis moralisch zu zerm�rben. Schmerzlich musste ich lernen, dass Justiz, wie sie in B�chern gelehrt wird, eine ganz andere Welt ist, als die Justizpraxis, wo nicht das in Rechtsb�chern scharfsinnig ausgelegte Recht, sondern Rechtsbeugung nach politischem Opportunismus herrschen.

Mit Bundesr�tin Ruth Metzler habe ich die gleiche Erfahrung gemacht wie Sie. Als ich sie auf die vom Bundesamt f�r Polizei betriebene Internetzensur ohne Gerichtsverfahren und ohne Anh�rung der Betroffenen aufmerksam machte, antwortete sie mit einer nichtssagenden Phrase.

Es ist sch�n, in dieser widrigen Filzsuppe ab und zu Menschen in verantwortungsvollen Positionen zu begegnen, die wie Sie nicht einfach wegschauen. Leider sind es - wie immer in der Menschenheitsgeschichte - nur wenige, die sich gegen Unrecht auflehnen, auch wenn sie nicht pers�nlich davon betroffen sind und ein bequemes Leben f�hren k�nnten.

Die Freisler-Justiz und der Holocaust gehen weiter, hier und jetzt, t�glich, mitten unter uns wie damals. Statt Nicht-Arier sind nun einfach Nicht-Menschen (Tiere) die Opfer - und die wenigen, welche ihre Stimme gegen das Unrecht erheben. Und doch gibt es einen Kulturfortschritt: politische Gegner werden heute nur noch verbal und psychisch, nicht mehr physisch verbrannt.

Mit freundlichen Gr�sse
Erwin Kessler, Gr�nder und Pr�sident des Vereins gegen Tierfabriken Schweiz VgT


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